Aus Zitronen Zitronenkuchen machen und über das Bauen von Kästchen

Wie geht es Dir mit der aktuellen Situation und welche Auswirkungen hatte Corona auf Dein Unternehmen?

Ich habe schon vor längerer Zeit die Entscheidung getroffen, dass ich mich nur über Sachen aufrege, die ich selbst ändern kann. Das gibt mir eine gute Selbstwirksamkeit.

Corona hat natürlich alle unverhofft getroffen, und vor allem in dem Geschäftsfeld, in dem ich arbeite - Co-Working & Veranstaltung von Events - musste man stark umdenken / umorganisieren.

Wir machen aus Zitronen, Zitronensaft und Zitronenkuchen.

Das heisst, wir haben neue Chancen und Geschäftsbereiche erschlossen und bieten vermehrt Beratungen (Gründungsberatung) an, und weniger die Organisation von Events vor Ort. Natürlich ist aber auch der Eventbereich nicht vollkommen lahm gelegt - wir sehen uns jetzt nur mehr als eine digitale Eventagentur. Denn die Anfragen „kann ich mein Event trotzdem irgendwie umsetzten?“ sind natürlich trotzdem noch da. Dabei hilft natürlich auch die Digitalisierung. Und ermöglicht zudem die Erschließung neuer Kunden. Digitale Events ermöglichen vor allem Personen, die nicht lange anreisen können, trotzdem mit dabei zu sein. Das heisst, auch wenn diese Zeit vorbei ist, werden wir dieses neue Hybrid-Modell beibehalten und zusätzlich die digitale Komponente berücksichtigen.

Auch in Bezug auf das Co-Wirkung eröffnet der Trend zur Digitalisierung neue Türen. Viele Arbeitnehmer sind inzwischen gewöhnt, nicht mehr im Büro zu arbeiten und wurden dementsprechend auch von den Unternehmen daraufhin ausgestattet (mobiles Arbeiten möglich machen / digitale Ausstattung der Arbeitnehmer). Auch in Zukunft werden viele Unternehmen diese Art zu arbeiten beibehalten, da es einfach in vielen Bereichen zu mehr Effizienz geführt hat und sich die Arbeitnehmer diese „Freiheit“ auch nicht mehr nehmen lassen wollen. Durch diese Veränderungen in der Arbeitswelt können unsere Services (Co-Working Spaces überall auf der Welt) auch erst richtig in Anspruch genommen werden. Man kann flexibel entscheiden, in welchem der vielen Spaces auf der Welt man arbeiten möchte und die technische Ausstattung dafür ist gegeben.

Wir haben damit ein Geschäftsmodell geschaffen, das trotz Corona gut funktioniert - und finanziell gesehen, war das letzte Jahr sogar eines der besten seit Unternehmensgründung.

Als Hub seid ihr ja täglich mit vielen in Kontakt, was nimmst Du in eurem Umfeld wahr?

Die Überforderung bei den Menschen, gerade durch die ganzen Auswirkungen von Corona, sind natürlich deutlich zu spüren. Eine der Aufgaben des Impact Hubs ist somit auch, den Leuten die Selbstsicherheit wieder zu geben und ihnen zu vermitteln, dass sie immer selbst bestimmten können, was gut für sie ist. Und sehr wichtig ist es, auch mal „NEIN“ sagen zu können. Man muss nicht sofort und vor allem nicht immer funktionieren - man muss sich gesunde Grenzen setzen. Das bedeutet Abstand wahren, wenn du Abstand wahren willst. Das bedeutet auch, anderen zeigen zu können, dass man Abstand wünscht. Urlaub und Erholung ist wichtig. Man kann sich feste Arbeitszeiten einplanen und muss sich Kästchen bauen für Projekte, die einem wichtig sind (z.B. die Weltrettung). Neben den Kästchen „Arbeit“, muss es aber auch Kästchen für Sport, gesunde Ernährung, den Austausch mit Freunden, Hobbys u.s.w. geben. Das alles hilft, uns nicht zu überfordern.

Gibt es für diese Perspektiven mehr Zuspruch, oder muss heutzutage immer noch gegen traditionellere Vorstellungen ankämpfen?

Der Trend geht auf jeden Fall in Richtung „Mindfulness“ und „mehr auf sich Acht geben“. Und die Institutionen, die das fördern wollen, werden auch immer mehr. Teilweise mangelt es jedoch noch ein bisschen an Tools, Methoden und vor allem an der Haltung. Die Haltung hat auch viel mit der Geschichte und dem Generationskonflikt zu tun. Früher wurde halt mal 80 Stunden gearbeitet, bis man sich dann irgendwann die Krankschreibung holen musste

Ich denke, es dauert noch ein paar Jahre, bis diese „neue Art zu Arbeiten“ verinnerlicht und akzeptiert wird. Und die Neiddebatte der früheren Generation ein Ende hat und von dem Gedanken los lässt „Hey, wieso soll die neue Generation das haben, was unsere Generation nicht hatte?“. Diese tiefe Unzufriedenheit der früheren Generation und das nicht Aufarbeiten ist der Kernpunkt. Das muss die heutige Generation auch verstehen und ein bisschen Verständnis für die ältere Generation aufbringen. Aber das war ja im Laufe der Geschichte immer wieder so. Das ist ja nichts Neues.

Wo findest Du persönlich denn Deinen Halt? Was ist Dein Rückzugsraum?

Familie steht für mich an 1. Stelle. Meiner Familie muss es gut gehen und wenn es ihr nicht gut geht, dann muss ich daran als erstes arbeiten.

Ich habe vor meinem eigenen Unternehmertum mit einigen älteren Menschen gesprochen, die erfolgreich zu sein schienen. Ich wollte wissen, was sie erfolgreich gemacht hat und was sie im Rückblick anders machen würden, wenn sie nochmals anfangen könnten. Bei der Antwort ging es weniger darum, was sie falsch gemacht haben. Es ging vielmehr darum, dass sie es bereuen, zu wenig Zeit mit den Kindern verbracht zu haben. Diesen Vorwurf will ich mir später auf keinen Fall machen. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen.

Was mir dabei auch hilft, ist ein geregelter Tagesablauf. Vor allem auch durch meine Tochter. Und sie steht immer an erster Stelle. Denn wenn ich nicht funktioniere, dann kann ich auch langfristig niemand anderem helfen. Deswegen muss ich mir Freiheiten nehmen, die auch OK sind. Durch meine Erfahrung aus sehr stressigen Zeiten meiner Karriere, die mit viel Verantwortung verbunden waren (das Bauen von sicherheitsrelevanten Objekten wie Flugzeugen) und letztendlich zu einem Burnout geführt haben, habe ich gelernt, meine Kästchen für alles zu bauen und mir Rückzugsräume zu schaffen.

Das bedeutet auch, mich regelmäßig mit meinen Eltern auszutauschen, Freunde zu treffen, Fussball zu schauen und nicht mehr als wirklich notwendig zu arbeiten. Natürlich gibt es auch bei mir mal stressige Phasen in der Arbeit oder Ausnahmen, die mich aufwachen lassen, weil ich eine coole Idee habe und diese einfach mal Nachts spontan runter schreiben will. Aber ich weiss, mit meiner Ressource Zeit gut umzugehen

Worauf freust Du Dich am Meisten, wenn Corona vorbei ist?

Reisen. Ich will alle unseren 100 Impact Hubs in der Welt besuchen. Die echten Menschen dahinter live sehen und nicht nur in einem Bildschirmausschnitt. Events wieder real machen. Türen wieder öffnen zu können, Leute wieder an einen Ort zusammen bringen. Auch im echten Leben. Das ist das, was Spass macht.

Einfach Abends in eine Kneipe gehen und spontan ein Bierchen mit Freunden trinken zu gehen. Das hat mich persönlich jetzt nicht so hart getroffen, weil ich ohnehin als Familienvater bereits einen anderen Lebensstil habe und generell Abends weniger raus gehe. Ich hatte daher Glück, dass mich das alles nicht in meinem Mittzwanziger-Lebensabschnitt getroffen hat. Ich glaube gerade bei Personen, die sich in diesem Lebensabschnitt befinden, geht gerade sehr viel Lebensqualität verloren. Aber gleichzeitig finde ich es auch toll, dass diese Leute mal so eine Erfahrung machen dürfen. Wir haben 70 Jahre Frieden in Europa, so eine Extremsituation haben viele Leute noch nie erlebt.

Was mich vor Corona wirklich gestört hat, war die Selbstverständlichkeit, mit der Sachen einfach als gegeben hingenommen wurden. Und der Mangel an Dankbarkeit.
Daher meine Meinung: mal so ein Jahr als Lebensphase, in der alle merken, das Alles von heute auf morgen weg und vorbei sein kann und Vergänglichkeit ein Thema ist, mit dem man sich wirklich mal auseinandersetzen muss, kann sogar hilfreich sein. Einfach mal eine Bucket List erstellen, mit all den Dingen, die man auf jeden Fall noch erleben will, Orte, die man unbedingt noch gesehen haben muss - und diese Liste dann auch schnell abzuarbeiten, wenn es wieder möglich ist. Das Leben feiern und darüber dankbar sein, dass man es erleben darf. Ich finde das alles ist eine wertvolle Übung für uns als Gesellschaft.

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