Anita ist seit vielen Jahren in der Gastronomie, Tourismus und Eventbranche tätig. Kurz vor Corona hat sie sich als Sommelière mit Wein Promotions, Weinberatung und Weinreisen selbstständig gemacht. Wie fühlt man sich vom Staat in Zeiten von Corona unterstützt und wie sehr ist man tatsächlich als Selbstständiger (in der Gastronomie & Tourismus) auf sich alleine gestellt?!
Anita, wie hast Du das letzte Jahr mit Corona wahrgenommen? Welche Veränderungen haben sich für Dich ergeben? Siehst Du dem Jahr positiv oder negativ entgegen?
Der Beginn von Corona und den Lockdowns war glaube ich für jeden erst einmal ein Schock. Da ich jedoch ein sehr positiver Mensch bin, habe ich erst einmal nach Möglichkeiten und Chancen gesucht. Ich stand zu diesem Zeitpunkt praktisch am Anfang meiner Selbstständigkeit als Sommelière mit Spezialisierung auf Wein Promotions, Weinberatung und Weinreisen. Der Fokus lag jedoch auf Wein Promotions – sprich die vertriebliche Verstärkung von Weingütern und dem Weinhandel. Ganz klar: Schwerpunkt liegt hier auf Reisen (Besuchen der Weingüter etc.) und Events /Messebesuche & Weinfeste. Das ist natürlich ab März dann alles erst einmal weggefallen. Ich habe dann eben gleich versucht nach Alternativen in meinem Bereich zu suchen und habe begonnen mich für die Zeit nach dem ersten Lockdown darauf zu konzentrieren Weinreisen (Weinproben, Weinwanderungen etc.) für max 4-8 in einem Ferienhaus in der Südpfalz anzubieten. Das hat über den Sommer auch super funktioniert da die Leute raus wollten und in kleinen Gruppen innerhalb von DE verreisen konnten. Als dann allerdings die 2. Welle kam musste ich mich tatsächlich komplett umstellen auf Digitalisierung. Ich war vorher mit dem Thema nicht wirklich vertraut – da ich es für meinen Beruf auch normalerweise nicht benötige - und musste mir hier alles selbst beibringen. Aus Wein Promotions und Weinproben im Real Life wurden dann digitale Weinseminare auf YouTube & Co. Eine Umstellung mit der man sich erst einmal anfreunden musste. Und wirklich Geld damit verdienen kann man nicht – es hilft nur in der Übergangszeit auf dem Markt präsent zu bleiben und nicht ganz von der Bildfläche zu verschwinden. Man musste ja trotzdem das Beste aus der Situation machen und darauf hoffen, dass in 2021 alles besser wird und man neu durchstarten kann.
Hast Du Dich denn vom Staat als Selbstständige in dieser Zeit unterstützt gefühlt oder eher warst Du eher auf Dich allein gestellt?
Es gibt ja die 3 Phasen der Förderungshilfe in Deutschland. In der ersten Phase war ich tatsächlich positiv überrascht, dass die finanzielle Hilfe so schnell und unkompliziert ausgezahlt wurde. Somit bin ich Anfangs wirklich davon ausgegangen, dass sich für mich keine Probleme mit der neuen Situation ergeben werden. Ich habe mich auf den Staat verlassen. Bei der 2. und 3. Phase sah die Situation dann leider etwas anders aus. Ich habe keinerlei Unterstützung mehr erhalten, da ich zum Zeitpunkt des Beginns der Pandemie noch nicht „lang genug“ selbstständig war (seit 2019). Das hat mich natürlich hart getroffen – denn selbstständig heißt selbstständig. Egal wie lange! Ich war plötzlich komplett auf mich allein gestellt. Wenn ich nicht meinen Mann gehabt hätte der glücklicherweise in einer Festanstellung war/ist, hätte ich wirklich ein großes finanzielles und existenzielles Problem gehabt. Ich habe mich als Selbstständiger sehr allein gelassen gefühlt. Man kann wirklich nur hoffen, dass man schnell wieder reisen kann und ich dann ab Mai wieder in die Saison starten und meine Weinreisen mit Vermietung des Hauses anbieten kann.
Beruflich haben sich ja doch recht viele Veränderungen bei Dir ergeben. Gleichzeitig kann man es sicherlich auch positiv sehen, dass Du praktisch mit den Weinreisen und der Vermietung Ferienhaus ein neues Standbein dazu gewonnen hast? Wie sieht es denn in Deinem Umfeld aus? Du sagtest ja Du hast schon viele Jahre vorher in der Gastronomie/Hotellerie gearbeitet? Wie sind die Erfahrungen von ehemaligen Kollegen etc.?
Ich komme selbst aus einer Familie mit Gastronomiebetrieb und habe mein Leben lang in der Hotellerie / Gastronomie gearbeitet. Da konnte ich natürlich hautnah miterleben, wie hart es die Hotellerie getroffen hat. Eine Freundin von mir, die als Verwaltungsdirektorin in einem Tourismus-Hotel gearbeitet hat wurde leider gekündigt – und sie war nicht die einzige. Da die Hotellerie und Gastronomie größtenteils schließen musste, ist vielen ja gar keine andere Möglichkeit geblieben. Es musste versucht werden zu reduzieren wo es nur geht. Diese Branche hat es wirklich schwer getroffen.
Und wie geht es Dir mental damit, dass alles im nahen Umfeld mitzubekommen? Du sagtest ja zu Anfang Du bist ein sehr positiv eingestellter Mensch. Hat das alles irgendetwas bei Dir verändert?
Es hat mich alles schon schwer getroffen. Leider musste ich auch im sehr engen Umfeld Todesfälle - durch Corona verursacht - miterleben. Trotzdem versuche ich weiterhin positiv zu bleiben. Das alles hat auch dazu geführt, dass ich das Leben versuche bewusster wahr zu nehmen, schätzen zu lernen was ich habe und ab und zu auch mal einen Gang zurück zu schalten. Das nehme ich aus dieser Zeit auf jeden Fall mit. Eine Zeit, in der wir dazu gezwungen wurden ein paar Gänge zurückzuschalten. Das ist für viele sicherlich auch nicht schlecht. Zudem habe ich dann versucht die „freie Zeit“ im Lockdown dazu zu nutzen Dinge zu tun, für die ich vorher keine Zeit gehabt hätte. Ich bin sehr viel Spazieren gegangen, um an die frische Luft zu kommen und habe in dieser Zeit sogar wieder meine kreative Ader entdeckt und mit der Acryl-Malerei angefangen – ein Projekt das alleine 2 Monate in Anspruch genommen hat. Das ist auf jeden Fall auch etwas Positives, dass ich aus dieser ganzen Zeit mit rausnehmen kann.
Wie siehst Du die Zukunft nach Corona? Vor allem auch in Bezug auf die Eventbranche? Du hast ja auch von Weinfesten etc. gesprochen? Werden diese großen Feste jemals wieder so stattfinden wie in Zeiten vor Corona?
Ich habe z.B. auch viele Jahre in München gelebt und habe kein Jahr das Oktoberfest verpasst. Das gehört einfach zur Kultur von Bayern dazu. Ich glaube, es wird mindestens noch bis 2022 dauern, bis das Oktoberfest oder auch andere große Feste/Weinfeste überhaupt in irgendeiner Form wieder stattfinden können. Und dann wird es sicherlich nicht wie zuvor. Die Leute bringen durch die ganzen Erfahrungen mit Corona eine gewisse Grundangst mit, die glaube ich noch lange anhalten wird. Aktuell kann ich mir ein Fest ohne Masken und Sicherheitsabstand gar nicht vorstellen. Auch wenn wir wieder zur „neuen Normalität“ zurückkehren sollten, – die Unbeschwertheit wird deshalb noch lange nicht wieder zurück kommen. Für mich ist das alles schwer, da ich ein sehr geselliger Mensch bin und es für mich persönlich, aber auch beruflich wichtig ist, zu „socializen“! Und wo kann man das besser als auf Festen und Events? Das wird in Zukunft sicherlich alles eine große Herausforderung werden.
Gibt es etwas Positives, dass Du auf jeden Fall aus dieser Zeit mit rausnehmen wirst?
Was ich auf jeden Fall als sehr positiv ansehe ist die Umstellung auf Digitalisierung. Nicht nur auf beruflicher Ebene. Vor allem unser Schulsystem hat dadurch große Fortschritte gemacht. In anderen Ländern wie z.B. Schweden ist die Digitalisierung an Schulen ja schon lange angekommen – in Deutschland wurde das bis dato nie so richtig angegangen. Jetzt war das Schulsystem ja praktisch dazu gezwungen mit „Homeschooling“ etc. – das sehe ich als einen enormen Anschub und Fortschritt.