Steffie hat die unheilbare Krankheit Mukoviszidose. Die ständige Angst sich anzustecken und daran vielleicht zu sterben wurde in Zeiten von Corona natürlich noch viel größer. Steffie gibt uns sehr private Einblicke in ihr Leben mit der Krankheit – wie sie selbst, Arbeitskollegen, Familie, Freunde und auch Fremde damit umgehen. Ein Interview mit einer sehr starken Persönlichkeit, die niemals aufgibt und nur das Positive im Leben sieht.
****Zum Einstieg würde ich Dich gerne fragen, wie Du die letzten Monate mit Corona erlebt hast?
Da ich in einer Boulderhalle arbeite (gehört zum Sportbereich / Fitnessstudios), bin ich relativ schnell nachdem der 1. Lockdown ausgesprochen wurde in die Kurzarbeit gegangen. Von da an bin ich zu Hause gewesen, hatte nichts zu tun und musste erst einmal mit der Ungewissheit klar kommen - das hat mich psychisch schon sehr fertig gemacht. Gedanken darüber wie es weiter geht - vor allem finanziell -, ob man in ein paar Monaten überhaupt noch einen Job hat und das Klarkommen mit einem Leben „eingesperrt“ zu Hause, ohne direkten Kontakt zur Außenwelt. Natürlich hat auch die Partnerschaft darunter gelitten. Beide im Home Office, 24 Stunden täglich aufeinander hocken, einziger Ansprechpartner, das zehrt schon an den Nerven. Vor allem da ich dann gar nichts mehr zu tun hatte und mein Partner sein normales Arbeitspensum abliefern musste. Er hatte plötzlich zu Hause gar keine Zeit mehr für uns und ich dafür um so mehr. Ein Ungleichgewicht ist entstanden.
Als Hintergrundinformation muss ich vielleicht noch dazu sagen, dass ich besonders am Anfang von Corona mit sehr viel Angst zu kämpfen hatte. Ja sogar Todesangst. Ich habe die Krankheit Mukoviszidose - eine vererbte Stoffwechselkrankheit (Gendefekt), die in meinem Fall hauptsächlich die Lunge angreift. Jede kleine Grippe kann bei mir bereits eine schwere Lungenentzündung hervorrufen, die im schlimmsten Fall zum Tod führt. Am Anfang von Corona waren auch noch keine Fälle bekannt, wie sich Corona in Zusammenhang mit der Krankheit verhält. Daher hatte ich unheimlich Angst mich anzustecken, bin fast nicht mehr rausgegangen, habe jeden Artikel den ich gekauft habe desinfiziert. Das hat mich psychisch sehr belastet. Nach einiger Zeit hat sich allerdings herausgestellt, dass der Krankheitsverlauf von Corona bei Muko-Patienten nicht wesentlich anders verläuft als bei „gesunden“ Menschen. Es war also nicht so tragisch wie Anfangs gedacht und das hat mir Mut gemacht. Aber natürlich achte ich trotzdem wesentlich mehr darauf mich nicht anzustecken als gesunde Menschen. Auch als wir nicht mehr im Lockdown waren, habe ich mich fast mit keinem Menschen getroffen.
Aber wieder zurück zu meinem Alltag mit Corona: nach einiger Zeit hat man dann auch Wege gefunden mit der “neuen Normalität” umzugehen und Beschäftigungen zu finden. Ich habe kleine Projekte in Angriff genommen und z.B. eine Spendenaktion ins Leben gerufen - Freundschaftsbänder geknüpft und den Erlös daraus gespendet. Mein Partner hat sein Home Office zu seinen Eltern verlegt und ich mir Hobbies für zu Hause gesucht (Lesen, Yoga und Malen nach Zahlen, meine eigene Hochzeitsplanung).
Im 2. Lockdown sind dann auch die Existenzängste weniger geworden. Man wusste, dass man seinen Job erst einmal nicht verliert und hat die „freie Zeit“ dann wirklich dafür genutzt, zu entschleunigen. Am Anfang war es schwer niemanden zu sehen - plötzlich wurde es angenehm. Sich nicht immer dazu verpflichtet zu fühlen Freunde und Bekannte sehen zu müssen. Einfach gemütlich zu Hause bleiben und dafür nicht mal eine Ausrede finden zu müssen, weil man eigentlich zu müde ist und absagen will. Denn man durfte ja nicht raus. Plötzlich hieß es dann nicht mehr „dieses Wochenende MUSS ich dies und das machen, mich mit dem und dem treffen…“. Man musste nicht mehr weil man nicht durfte. Das hat auch sehr geholfen mal wieder ein bisschen zu sich selbst zu kommen.
Aufgrund Deiner Krankheit “Mukoviszidose” hast Du dann sicherlich auch schon vor Corona vorsichtiger gelebt? Kannst Du uns nochmals kurz erklären, was Mukoviszidose genau ist und wie es Dein Leben und Deinen Alltag beeinflusst?
Die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose ist eine angeborene Krankheit – ein Gendefekt – bei der hauptsächlich die Lunge betroffen ist (aber auch andere Organe). Meine Lungenfunktion ist sehr stark eingeschränkt und jede kleine Grippe kann bei mir wie gesagt zu einer schweren Lungenentzündung und langen Krankenhausaufenthalten führen. Obwohl man bei der Krankheit viel Sport machen soll, um die Lunge zu trainieren, ist für mich alles wesentlich anstrengender als für gesunde Menschen. Die Krankheit geht mit ständigen schweren Hustenanfällen einher, was einen natürlich auch sehr belastet. Und man wird ständig komisch angeschaut – in Zeiten von Corona natürlich noch viel mehr, weil die Leute denken man hat einen ansteckenden Virus/ Corona. Die Krankheit ist allerdings nicht ansteckend.
Die Lebenserwartung ist nicht sehr hoch und es gibt bis dato auch noch keine Heilung. Früher war es eine Kinderkrankheit und man ist bereits mit 18 Jahren daran gestorben. Auf dem Gebiet der Forschung hat sich über die Jahre allerdings viel getan. Mit Medikamenten und regelmäßiger Physiotherapie stieg die Lebenserwartung über die Jahre hinweg und die Lebenserwartung der Krankheit ist gestiegen. Zudem hatte ich das Glück bei einer Studie mitzumachen, die mir meiner Meinung nach mein Leben gerettet hat. Das Medikament ist vor Kurzem auf den Markt gekommen und mein Zustand hat sich seit Beginn der Studie stark verbessert. Da die Krankheit bei mir erst mit 28 festgestellt wurde (nachdem ich fast an einer Lungenentzündung gestorben bin) habe ich Jahre der wertvollen Therapie verloren. Trotzdem ist es mir heute möglich ein halbwegs normales Leben zu führen. Ich habe zwar einen Schwerbehindertenausweis, arbeite allerdings ganz normal wie andere auch, habe ein intaktes Sozialleben und bin mittlerweile glücklich verheiratet und schwanger.
Wenn Du erst mit 28 Jahren von der Krankheit erfahren hast, war das sicherlich ein Schock für Dich? Wie bist Du und Dein soziales Umfeld damit umgegangen?
Am Anfang war es sehr schwer für mich. Plötzlich fast zu sterben wegen einer Lungenentzündung hat mir sehr viel Angst gemacht. Ich wusste ja auch so gar nichts über die Krankheit. Da schockt es einen natürlich zu erfahren, dass es kein Asthma ist (wie mein ganzes Leben über angenommen wurde), sondern eine sehr schwere, unheilbare Krankheit mit geringer Lebenserwartung. Das hat mich total aus der Bahn geworfen.
Tatsächlich habe ich mit der Diagnose meiner Krankheit einige “Freunde” verloren. Viele konnten nicht damit umgehen und haben mich im Stich gelassen und sich von mir abgewendet. Aber natürlich habe ich auch “echte” Freunde und meine Familie, die immer hinter mir standen und stehen. Mein enger Umkreis geht tatsächlich sehr gut damit um. Auf der einen Seite werde ich natürlich schon immer gefragt wie es mir geht und gerade bei Sachen, die ich jetzt nicht so wie andere machen kann, wird Rücksicht genommen und auch besonders auf mich aufgepasst. Auf der anderen Seite fühle ich mich aber nicht bemitleidet. Keiner behandelt mich wie ein rohes Ei, was auch sehr wichtig für mich ist. Das liegt glaube ich aber auch daran, dass ich offen über die Krankheit spreche und aufkläre. Meine Gefühle immer direkt mitteile. Das ist auch wichtig für das eigene Umfeld – das hilft besser damit umzugehen.
Lange Zeit hatte ich natürlich auch Angst einen Partner zu finden. Es ist nicht einfach dem Gegenüber nach den ersten Dates mitzuteilen, dass die Lebenserwartung nicht sehr hoch sein wird. Damit konnten einige natürlich nicht umgehen. Es war mir allerdings lieber, es direkt von Anfang an ehrlich mitzuteilen. Auch mein heutiger Mann hat mich mit der Krankheit kennengelernt und hatte Anfangs seine Bedenken. Jetzt sind wir glücklich verheiratet und erwarten ein Kind. Er unterstützt mich wo es geht. Es ist also alles möglich wenn man nur will!
Fühlst Du Dich manchmal wegen Deiner Krankheit “anders” oder negativ behandelt von Deinem Umfeld?
Alle meine Kollegen wissen von der Krankheit. Viele haben damals auch die Diagnose mitbekommen. Sie konnten am Anfang natürlich genauso wenig wie ich damit umgehen. Das wurde mit der Zeit aber immer besser. Das liegt auch daran, dass ich besser darüber aufklären konnte. Es gibt natürlich einige Kollegen, denen es total egal ist. Dann gibt es andere, die einen entsprechend “abstempeln” und teilweise dann in guten Phasen, in denen ich mich besser fühle und weniger “krank zu Hause bin” sagen, dass ich ja sowieso nur simulieren würde und eigentlich ja gar nicht krank wäre. Das verletzt teilweise schon. Denn es ist eine schwere Krankheit und gilt als Behinderung.
Leute die mich nicht kennen, reagieren auch oft sehr negativ. Da ich wie gesagt unter starken Hustenanfällen leide, wird man oft komisch von der Seite angeschaut (vor allem in Zeiten vor Corona) und es kommen blöde Sprüche wie “vielleicht mal weniger rauchen!”! Da es Fremde sind, kann man das allerdings besser wegstecken und es belastet mich inzwischen nicht mehr so sehr wie am Anfang.
Gibt es ausreichend Organisationen / Vereine die helfen und über die Krankheit auch aufklären? Und fühlst Du Dich vom deutschen Gesundheitssystem unterstützt?
Ja, es gibt sehr viele Anlaufstellen wie z.B. Vereine, die über Mukoviszidose aufklären und stark unterstützen. Ich hatte 2017 zum Beispiel das Glück eine Klimakur auf Gran Canaria machen zu dürfen, die komplett mit Spendengeldern finanziert wurde. Eine Kur zu machen hätte ich selbst so nicht finanzieren können.
Auch meine Ärtzin im Uniklinikum, wo ich regelmäßig meine Check-Ups machen muss, ist großartig und hat mich toll in das Thema eingeführt. Sie unterstützt mich wo es geht und die Atmosphäre ist sehr familiär - man fühlt sich nicht als irgendein Patient XY, sondern als Frau X.
Mein Physiotherapeut (ich muss jede Woche zur Physiotherapie) ist in den 6 Jahren mittlerweile zu einem echten Freund geworden. Ich freue mich immer wieder auf die wöchentlichen Unterhaltungen und den Austausch von Erfahrungen anderer Patienten.
Auch über meine Krankenkasse kann ich bisher nur Gutes sagen. Ich weiß, dass “gesunde Menschen” oft über die Kassen schimpfen, weil irgendetwas mal wieder nicht genehmigt wurde. Ich kann allerdings nur sagen, dass ich mehr als froh über das deutsche Gesundheitssystem bin und mich glücklich schätzen kann, nicht in den USA zu leben. Da müsste ich alle Medikamente selbst bezahlen und wäre mittlerweile schon pleite und würde gesundheitlich wesentlich schlechter da stehen.
Hast Du auch negative Erfahrungen gemacht?
Ja, mit den Behörden. Da werden einem in Deutschland schon sehr viele Steine in den Weg gelegt. So musste ich z.B. damals meinen Behindertenausweis für meine Schwerbehinderung einklagen. Normalerweise gibt es auch für diese Krankheit Kataloge - trotzdem wurde es erst einmal komplett abgelehnt. Da hieß es dann “so krank sind sie nicht”! Das ganze hat sich 2 Jahre hingezogen und endete damit, dass ich mit dem Sozialverband vor Gericht gegangen bin. Letztendlich wurde es dann genehmigt. Um finanzielle Unterstützung muss man also doch sehr kämpfen und es wird einem alles noch schwerer gemacht. Man ist ja eh schon krank und muss sich dann noch mit den Behörden rumstreiten. Eigentlich unnötig. Aber leider die Wahrheit in Deutschland.
Danke Dir für die ganzen persönlichen Einblicke in Dein Leben mit der Krankheit. Hast Du ein letztes Schlusswort bzw. einen Ratschlag?
Ich bin mir sicher, dass es hauptsächlich daran liegt, dass ich mittlerweile gut mit der Krankheit umgehen kann, weil ich für mich entschieden habe, offen darüber zu sprechen und die Menschen an meinem Leben teilhaben zu lassen, mich nicht verstecke und alles in mich reinfresse. Unabhängig davon, was dann vielleicht für negative oder positive Reaktionen zurück kommen mögen. Damit kann ich umgehen und lasse es nicht so stark an mich rankommen. Denn das psychische Wohlbefinden trägt meiner Meinung nach sehr stark dazu bei, wie es einem gesundheitlich geht.