Der Bankensektor ist immer noch eine Männerdomäne. Was hat dann hier eine Frau zu suchen? Wie dieses Interview zeigt: sehr viel!

Birgit ist im Vertrieb im Bankensektor tätig und verantwortlich für Transaktionen in Milliarden-Höhe. In einer Welt die immer noch von Männern regiert wird! Sie erzählt uns wie sie damit klar kommt und was eine Frau mitbringen muss um sich in dieser Welt zu behaupten. Ganz klar: Selbstbewusstsein und Durchhaltevermögen!

Wie ist es Dir in den letzten Monaten mit Corona ergangen?

Ich fühle mich OK. Es hat sich viel geändert – vor allem im Berufsleben. Es ist wesentlich herausfordernder als jemals zuvor. Dazu muss ich sagen, dass ich in einem Job arbeite, der hauptsächlich durch den direkten Kontakt mit Menschen funktioniert. Ich arbeite bei einer Amerikanischen Bank im Auslandsbüro in London im Vertrieb. Von insgesamt 20.000 Mitarbeitern arbeiten 2 davon im Hauptsitz von Europa und ich bin eine davon und dabei zuständig für den Markt Deutschland, Österreich, Schweiz und Benelux-Staaten. Dabei kümmere ich mich um die Neukundenakquise (Kaltakquise) und schließe Transaktionen mit Großunternehmen ab, die einen Umsatz von ungefähr einer Milliarde haben. Und gerade wenn es um so hohe Beträge geht ist im Vertrieb der persönliche Kontakt das A und O. Das funktioniert über das Telefon oder über Video-Calls leider sehr schlecht. Es ist eine große Herausforderung. Die Kontakte sind nicht mehr so eng wie vorher. Mein Job lebt von legeren Veranstaltungen und Meetings, wo man sich trifft und alles persönlich bespricht. Viele Kollegen mit denen ich gesprochen habe sind frustriert. Der Kontakt übers Telefon läuft sehr schleppend. Und es stellt sich mittlerweile auf allen Seiten eine Telefon-Müdigkeit ein. Zudem kommt, dass in meinem Sektor ja hauptsächlich Männer arbeiten. Die sind es natürlich überhaupt nicht gewöhnt plötzlich in der familiären Umgebung mit schreienden Kindern im Home Office zu arbeiten. Da ich aufgrund meiner 1-jährigen Elternzeit erst im Oktober wieder in den Job zurück gegangen bin, musste ich mich erst einmal mit dieser neuen Situation auseinandersetzen und neue Strategien finden.

Du arbeitest in einer Welt die von Männern regiert wird. Wie bist Du zum Bankensektor und zu einem Job im Vertrieb gekommen?

Vertrieb ist grundsätzlich etwas, was mir total viel Spaß macht. Das Arbeiten mit Menschen ist mir sehr wichtig. Im Vertrieb hat man eine Aufgabe vor sich, da gibt es einen Kunden, den man akquirieren möchte. Man will die Transaktion abschließen und erfolgreich sein, eine langfristige Kundenbeziehung aufbauen. Und das ist es eben, was mir besonders gefällt und wo ich auch besondere Stärken mitbringe.

Ich habe von Anfang an ausschließlich mit Männern zusammengearbeitet. Das ist sehr herausfordernd. Aber man kann das auch positiv für sich nutzen. Man ist einfach anders. Und wenn es z.B. um größere Transaktionen geht und man mit 15 Männern am Tisch sitzt und man die einzige Bankerin ist, dann kann man das auch durchaus positiv für sich selbst nutzen. Ich bekomme natürlich immer die meiste Aufmerksamkeit, bin öfter im Mittelpunkt und jeder ist besonders höflich. Ich sehe das eher als “Alleinstellungsmerkmal Frau” und als eine positive Stärke, die man im Geschäftsleben nutzen kann.

Ist es Dir denn schon einmal passiert, dass Du als Frau unterschätzt wirst oder anders behandelt wirst?

Ja, definitiv! Das kommt sehr häufig vor. Oft werde ich in Conference-Calls oder bei Terminen einfach als die Sekretärin betitelt oder abgestempelt, weil ich eben die einzige Frau im Verteiler bin. Ich versuche dann trotzdem positiv zu bleiben, aufzuklären und vielleicht einen Gag daraus zu machen. Ich kann auch durchaus verstehen, dass das passieren kann. Der Bankensektor besteht nun mal zu mehr als 90 % aus Männern. Da kann dieser Irrtum automatisch entstehen. Männer in dieser Welt sind es einfach gewöhnt, dass eine Frau entweder eine Assistentin oder Sekretärin ist. Das muss man als Frau auch verstehen, sich nicht angegriffen fühlen und einfach aufklären, dass es nicht so ist.

Was natürlich auch immer wieder passiert ist folgendes: man ist mit allen zusammen auf einem Event, übernachtet im gleichen Hotel und bleibt als einzige Frau in der Runde übrig. Da kommt dann auch schon mal eine Nachricht aufs Handy mit der Zimmernummer. Hier muss man sicherlich eine dicke Haut haben und das gewisse Selbstbewusstsein mitbringen. Viele Frauen die ich kenne, sind immer die ersten die nach Hause gehen, weil sie eben diesen Situationen aus dem Weg gehen wollen und sich davon verunsichern lassen. Ich persönlich lasse mich da nicht einschränken. Nicht jede Frau ist für diese Welt gemacht. Man muss wirklich viel Selbstbewusstsein mitbringen und ich rede hier von echtem Selbstbewusstsein und nicht nur gespieltes. Ich kenne viele Frauen, die nur so tun als wären sie selbstbewusst oder ihre Weiblichkeit komplett verstecken, in diese Welt eintreten und mehr Mann als Frau sind. Sich nicht wie eine Frau herrichten, keinen Lippenstift und keine farblich herausstechende Kleidung tragen. Es ist leider heutzutage noch nicht möglich, sich als Frau zu behaupten. Frauen haben Angst und lassen sich einschüchtern.

Denkst Du, dass sich daran in Zukunft etwas ändern kann?

Also ich glaube es ist schon schwer. Ich denke, dass Veränderungen bedingt möglich sind, aber dazu gehören auch die Frauen. Frauen sollten aufhören ihre Weiblichkeit zu verstecken. Es ist Veränderung von beiden Seiten notwendig. Die Männerdomäne ist schon allein deswegen da, weil sie halt einfach ihre eigenen Themen haben. Im Bankenwesen kennt man sich eben schon 10,15, 20 Jahre und arbeitet seit vielen Jahren eng zusammen. Das ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Da ist man als Frau eben einfach nur eine Randerscheinung. Das bleibt allerdings auch so, solange Frauen nicht anfangen auch ihr eigenes Ding zu machen und sich dessen bewusst werden was sie Wert sind und was sie können! Natürlich gibt es auch Gruppen von Frauen und Netzwerke, die sich zusammentun. Aber das ist dann nur wieder einen Gegenveranstaltung zu den Männern. Es ist immer entweder das eine oder das andere. Ich finde beide Extreme nicht gut. Die Mischung daraus würde beiden Seiten Vorteile bringen.

Welchen Ratschlag würdest Du Frauen geben, die in einer Welt arbeiten, die von Männern regiert wird?

Wenn man in diesem Beruf arbeiten will, muss man sich als Frau von Anfang an bewusst machen, dass die aktuelle Situation nun mal so ist. Es ist noch immer eine Männerdomäne. Sie erlaubt zwar Frauen dort mitzumischen, aber man muss seine eigene Position finden und diese dann auch selbstbewusst vertreten. Wissen für was man steht, seine eigenen Vorteile leben und auch ausnutzen. Eine Frau zu sein, bringt ja auch frischen Wind in die Geschichte. Man soll sich ruhig trauen Frau zu sein und sich nicht hinter den Männern verstecken sondern sagen „ich bin hier verantwortlich und niemand sonst!“. Man muss selbstbewusst sein und eben nicht einfach nur so tun als ob.

Wichtig ist auch immer das Gleiche einzufordern. Man ist in diesem Job wegen der Qualifikation. Aber zu 90 % würde die Frau wahrscheinlich trotzdem sagen, sie ist für den Job nicht geeignet, obwohl sie das mit Sicherheit ist.

Ich habe hier ein kleines Beispiel: bei meiner Bank wurde eine Stelle in New York ausgeschrieben und ich habe das Profil nicht komplett erfüllt. Mein Chef fragte mich, warum ich mich nicht beworben hätte. Daraufhin antwortete ich ihm, dass ich nur 3 der 5 ausgeschriebenen Kriterien erfülle. Daraufhin sagte er mir: „Wissen Sie eigentlich wie viele Männer sich auf den Job beworben haben die maximal 2 der Kriterien erfüllen? Ich möchte nie wieder hören, dass Sie sich auf einen Job nicht bewerben nur weil sie eine Frau sind!“ Frauen denken grundsätzlich, dass sie weniger Wert sind. Und das ist falsch!

Passiert es einem als selbstbewusste Frau dann nicht auch oft nur auf das „sexuelle“ reduziert zu werden?

Ja natürlich kann das passieren. Und ich verstehe auch durchaus dass sich manche Frauen in dieser Welt dann auch lieber verstecken. Natürlich hat es bei mir viel verändert als ich dann verheiratet war und einen Ring am Finger hatte. Ich war mit Anfang 30 bereits in meiner Position und da ist man natürlich schon auch mal den älteren Männern um die 50 stark ausgeliefert. Das kann viele jüngere Frauen die in den Beruf kommen und Karriere machen wollen durchaus einschüchtern. Ein gewisses Maß an Anstand herrscht hier trotzdem. Man bekommt zwar die Nummer zugesteckt, aber es wird einen sicherlich keiner dazu zwingen mit aufs Zimmer zu kommen. Man muss lernen darauf dann auch entsprechend zu antworten und es nicht einfach so unter den Tisch kehren. Aber klar: es gibt viele Frauen die in dieser Situation schockiert sind und nicht wissen was sie machen sollen.

Und denkst Du, dass Frauen z.B. hinsichtlich Gehalt und / oder Position diskriminiert werden?

Im Vertrieb auf jeden Fall! In den meisten Unternehmen könnte ich jetzt meinen Job nicht mehr machen. Ich habe ein Kind, eine Familie und kann natürlich weniger reisen als vorher. Reisen ist ein wichtiger Bestandteil meines Jobs. Wenn ich mich jetzt also woanders bewerben würde, bin ich mir sicher, dass ich große Probleme hätte. Man weiß halt einfach, dass eine Mutter aus ihrer Rolle nicht raus kann. Selbst wenn ein Mann der sich auf den gleichen Job bewirbt weniger effektiv oder produktiv ist, nimmt man immer noch lieber den Mann als die Mutter, da heutzutage einfach Anwesenheit mehr zählt als Effektivität und Effizienz. Daran muss einfach noch viel gearbeitet werden.

In UK (und auch anderen europäischen Ländern) hat man den Vorteil, dass Kinderbetreuung schon ab jüngstem Alter normal ist und auch akzeptiert wird. Frauen gehen schneller in den Beruf zurück – meist schon nach 6 Monaten. In Deutschland ist das natürlich anders. Man muss sich als Mutter allerdings klar machen, dass man keine schlechte Mutter ist nur weil man nach einem Jahr schon wieder arbeiten geht. Hier muss sich also auch die Denkweise der Frauen ändern.

Als Frau arbeitet man am Anfang vielleicht weniger Stunden, aber wesentlich effizienter – denn man muss in dieser Zeit ja trotzdem alles geregelt bekommen. Meine Chefin in den USA ist z.B. nach 9 Wochen wieder zurück in den Job. Hier war auch ganz klar: wenn sie weiterhin etwas erreichen will, dann muss das sein. In diesem Fall hat man halt eine Vollzeit-Nanny zu Hause und gibt gleich wieder Vollgas.
Einer anderen Kollegen in Deutschland passierte folgendes: sie wollte nach dem Mutterschutz wieder zurück in ihren Job, allerdings anfangs nur in Form einer 4-Tage-Woche. Man legte ihr ans Herz, sich doch lieber einen anderen Job zu suchen. Das ist mehr als ungerecht. In Deutschland wirst du einfach nicht mehr richtig ernst genommen wenn du nach dem Mutterschutz wieder in den Job gehst. Du wirst nicht mehr richtig integriert und musst ggf. sogar Hilfsarbeiten machen. Eine sehr große Ungerechtigkeit. Denn man fühlt sich unterfordert. Man wird aufs Abstellgleis gestellt obwohl man doch genauso intelligent und gut vernetzt ist wie vor der Schwangerschaft. Es hängt einfach das Damoklesschwert der Familie über einem.

Vielleicht ist hier Corona allerdings auch eine Chance! Man ist inzwischen durch die ganzen „Lockdowns“ gewohnt von zu Hause aus zu arbeiten. Das hilft Müttern natürlich enorm. Denn man hat inzwischen auch immer mehr die Flexibilität einfach nochmal um 19:00 Abends an den PC zu gehen und zu arbeiten. Das Home Office (was sich sicherlich auch nach Corona noch durchsetzen wird, weil man einfach die vielen Vorteile darin gesehen hat) sehe ich daher hauptsächlich auch als Chance für Frauen die Familie haben.

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