Ute ist frustriert. Und nicht nur sie. Wie soll das alles mit Deutschland weitergehen? DE ist der größte Netto-Einzahler der EU, aber Impfstoff wurde nicht ausreichend bestellt. Die Armen werden immer ärmer und dann werden auch noch die Grundrechte von „Geimpften“ diskutiert.
Wie hast Du das letzte Jahr wahrgenommen? Welche Veränderungen oder Einschränkungen haben sich hier für Dich ergeben?
Der erste Lockdown war natürlich schlimm und die Situation erst einmal total ungewohnt. Beim 2. Lockdown war ich über die Gesamtsituation einfach nur noch verärgert und frustriert. Viele haben – wie auch schon beim 1.Lockdown – die Beschränkungen einfach ignoriert und sich über die ganzen Restriktionen hinweggesetzt. Wenn man alles schon beim 1. Lockdown konsequenter verfolgt hätte, dann hätte sich vielleicht sogar vieles anders entwickelt und man hätte sich ggf. sogar den 2. Lockdown sparen können. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll gewesen, gleich von Anfang an den 1. Lockdown viel schärfer zu machen und auch härter durchzugreifen.
Im Alltag beeinträchtigt gefühlt habe ich mich natürlich auch durch den Maskenzwang. Die Unbeschwertheit ist einfach weg. Für mich persönlich war / ist das schon eine Belastung. Ich kann nur hoffen, dass man irgendwann wieder zur Normalität zurückkehrt. So ganz glaube ich allerdings gerade nicht dran. Ich bin zwar ein Zweckoptimist, aber ich kann es mir nicht so ganz vorstellen, dass es die letzte Pandemie ist, die ich erleben werde.
Du hast erwähnt, dass Du doch recht verärgert über die ganze Entwicklung bist! Was hätte die Bundesregierung Deiner Meinung nach besser oder anders machen sollen / können?
Ich denke, dass einer der größten Fehler war, nicht von Anfang an die Grenzen dicht zu machen. Und ich spreche hier nicht nur von Flugzeugen aus China, die noch ewig lang reingelassen wurden. Das war für mich ein großes Fragezeichen. Ich hätte somit von Anfang an – wie auch andere Länder – die Grenzen sofort dich gemacht.
Ein weiterer großer Fehler: die Maskenproduktion. Wir sind total von China abhängig. Man hätte ja schon letztes Jahr anfangen können, selbst zu produzieren. Dann kommt dazu, dass die Bundesregierung verordnet, dass ffp2 Masken getragen werden sollen. Viele können sich diese Masken gar nicht leisten! Aber darüber wurde glaube ich gar nicht nachgedacht.
Auch ein Diskussionsthema: die Intensivstationen. Man hat letztes Jahr genügend Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Beim 2. Lockdown, kurz vor Weihnachten, kommt dann raus, dass es eigentlich überall stockt und hakt. Man hatte von März bis Weihnachten genügend Zeit, sich auf alles vorzubereiten. Die Zeit wurde einfach nicht genutzt.
Man hat meiner Meinung nach in vielen Bereichen einfach übers Ziel hinausgeschossen. Es wurden Entscheidungen getroffen ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Es wurde auch nicht nachgedacht, was finanziell minderbemittelten Menschen eigentlich zugemutet wird – und hier spreche ich nicht nur von teuren ffp2 Masken.
Wie denkst Du, dass hier die Entwicklung in Deutschland weitergeht? Meinst Du, dass daran gearbeitet wird? Oder dass es erst einmal noch schlimmer wird?
Ich denke, dass es auf jeden Fall erst einmal noch schlimmer werden wird. Dafür ist Deutschland einfach zu bürokratisch und das macht die Situation schwierig.
Ich habe mich unter anderem mit einem Künstler unterhalten, der die ganze Sache auch sehr beklagt hat. Er hat nicht mal 1.000 € als finanzielle Unterstützung bekommen und weiß gar nicht, wie er davon überhaupt leben soll. Allein die Miete in einer Stadt wie München kostet ja bereits so viel. Er erzählte mir auch, dass ein paar Künstlerhilfen jetzt (Fenruar) rückwirkend ausgezahlt wurden – allerdings vom Oktober! Dazwischen liegen Monate! Da hat man wirklich einfach gar kein Verständnis mehr und es fehlen einem die Worte! Wie sollen die Menschen überleben?
Das Wirtschaftsministerium stellt sich ins Fernsehen und erzählt was alles Tolles geplant ist und was gemacht wird. Aber bis jetzt ist so gut wie nichts passiert. Es sind letztendlich nur Absichtserklärungen. Ist ja nett und gut. Aber die Leute müssen ja irgendwie überleben. Vorerst wird die Überlebens Schere meiner Meinung nach weit aufklaffen. Die Leute, welche vorher schon finanziell gut da standen, werden weniger Probleme haben. Aber die Menschen, die sozial und finanziell am Rande stehen, für die ist und wird es ein großes Problem. Und ich denke leider, dass sich hier auch so schnell nichts ändern wird.
Deutschland ist ein bürokratisches Land und es dauert ewig bis etwas passiert – von Gängen zum Amt, Anträgen bis hin zu Genehmigungen (oder eben auch nicht), vergehen Monate. Monate die viele Menschen einfach nicht haben. Die Armen bleiben auf lange Sicht gesehen auf der Strecke. Und die Schere wird wesentlich weiter aufgehen!
Dann gibt es noch ein Thema, dass mich wirklich sehr bewegt hat. Es hat mich so mitgenommen, dass ich unseren Außenminister Heiko Maas gleich persönlich angeschrieben habe. Ich finde es eine Unverschämtheit, Dinge in die Welt zu setzen und darüber zu diskutieren, ob Geimpfte mehr Grundrechte erhalten sollen als „nicht“ Geimpfte. Ich bin sicherlich bei der Gruppe dabei, die als letzte geimpft wird und daher sehe ich es als eine Unverschämtheit. Deutschland hat nicht mal genügend Impfstoff – ein anderes Thema über welches man diskutieren kann – und dann werden diese Art von Grundrechte diskutiert. Da fühle ich mich diskriminiert. Ich bin ein Staatsbürger, ich habe meine Steuern immer pünktlich gezahlt und sämtliche Gesetze eingehalten. Aber dass ich mich hier als Mensch 2. oder 3. Klasse einordnen lassen muss, das geht zu weit.
Ein Heiko Maas stellt sich als Außenminister hin und befürwortet, die Grundrechte der Geimpften zu stärken. Natürlich gehen dann die auf die Barrikaden, die noch nicht geimpft worden sind und auch in absehbarer Zeit nicht geimpft werden können /dürfen, da sie nicht zu Risikogruppen etc. gehören und zudem leider auch nicht ausreichend Impfstoff vorhanden ist bzw. zu wenig Impfstoff von Deutschland bestellt wurde. Geimpfte dürften sich dann wieder frei bewegen, ohne Maske herumlaufen, zum Essen gehen, ins Kino gehen, in den Urlaub fahren – aber ich darf es nicht. Ich muss zu Hause bleiben und warten. Wie lange ist unklar. Vielleicht ein weiteres Jahr! Und er hat das Ganze noch weiter gesponnen und gesagt: „Restaurants und Geschäfte könnten sich dann ja überlegen, ob sie „nicht geimpfte“ überhaupt reinlassen“. Er hat ihnen praktisch auf dem Teller präsentiert, was sie machen müssen /sollten.
Das kann man alles machen, wenn Impfstoff für jeden deutschen Bürger verfügbar ist und jeder Deutsche über sich selbst entscheiden kann “möchte ich die Impfung oder nicht oder verweigere ich sie“. Dann kann er so was gerne tun. Aber wenn nur für eine Minderheit der Bevölkerung Impfstoff vorhanden ist, dann kann er das meiner Meinung nach als Politiker nicht bringen. Da fühle ich mich diskriminiert.
In anderen Ländern wie Peru wurden Freunde von uns bereits geimpft. In einem Land wie Deutschland geht allerdings nichts voran. Andere Länder sind Deutschland hier weit voraus. Wir (Deutschland) sind der größte Netto-Einzahler der EU, aber Impfstoffe gibt es nur für eine Minderheit. Das löst einfach nur Frustration aus.