Frauen in Führungspositionen, Mutterschutz und die Frage ob Männer vermehrt in Elternzeit gehen sollten?

Eliana arbeitet in einer Führungsposition für einen großen Konzern. Sie erzählt uns von ihrer Rückkehr in den Job - nach 1,5 Jahren Mutterschutz. Welche Veränderungen brachte die Rückkehr mit sich und was wurde von ihr erwartet? Außerdem: sollte mehr Akzeptanz dafür da sein, dass auch Männer in Führungspositionen vermehrt in Elternzeit gehen?

Zum Einstieg würde ich Dich gerne erst einmal fragen, wie es Dir in den letzten Monaten mit den Lockdowns wegen Corona ergangen ist? Hat sich dabei viel bei Dir verändert?

Eigentlich muss ich sagen, dass mein Mann und ich sowohl den 1., als auch den 2. Lockdown organisatorisch gut gemeistert haben. Wir haben eine 2-jährige Tochter, die wegen der Schließung der Kitas zu Hause war. Da allerdings sowohl ich, als auch mein Mann in Kurzarbeit gehen mussten, haben wir uns beide abwechselnd um ihre Betreuung gekümmert. Ich arbeite für eine Agentur, die einem großen Konzern gehört und bin im 1. Lockdown zu 50 % in Kurzarbeit gegangen (statt 30 Stunden, habe ich nur noch 15 Stunden gearbeitet). Da ich allerdings ohnehin daran gewöhnt war, 3 Tage die Woche im Home -Office zu arbeiten, hat sich bei mir nicht wesentlich was geändert. Bei meinem Mann allerdings schon. Er ist im Management einer großen Event-Agentur und musste aufgrund der Auftragslage der Branche - trotz Managementposition - einen Tag in der Woche in Kurzarbeit. Die meiste Zeit hat auch er dann im Home-Office verbracht. Wir haben allerdings eine Regelung gefunden, dass wir uns tagsüber die Betreuung unserer Tochter aufteilen und uns abwechseln - derjenige der gerade nicht arbeitet passt auf die Tochter auf und umgekehrt. Dabei hat sich mein Mann sein Büro im Keller eingerichtet und ich im Dachgeschoss. So kamen wir uns auch nie wirklich in die Quere. Derjenige der gearbeitet hat, hatte immer vollkommene Ruhe und wurde nicht abgelenkt. Wir haben uns nur zum Mittagessen und Abendessen getroffen. Zudem hatten wir das Glück dass wir für die restliche Zeit mit einer befreundeten Nachbarsfamilie eine Art Betreuungs-Gemeinschaft gebildet haben. Einmal war deren Tochter bei uns und einmal unsere bei den Nachbarn. Durch diese Konstellation konnte man den Lockdown dann sehr gut meistern.

Du hast ja erzählt, dass Du in einer Führungsposition eines Großkonzern arbeitet, gleichzeitig auch Mutter bist. Kannst Du uns von Deinen Erfahrungen erzählen, als Du nach 1,5 Mutterschutz wieder zurück in den Job gegangen bist? Hat sich hier etwas für Dich verändert, bist Du ggf. anders behandelt worden?

Bevor ich in den Mutterschutz gegangen bin, war ich als „International Account Manager“ für ein 8-köpfiges Team verantwortlich, das international stationiert ist. Natürlich war das auch mit vielen Reisen verbunden. Bevor ich gegangen bin, habe ich auch noch meine Vertretung eingearbeitet. Leider wurde sie nach der Probezeit nicht übernommen und meine Stelle somit in der ganzen Zeit nicht wieder besetzt - bis ich zurück gekommen bin. Bedeutet ich bin auch direkt wieder in die gleiche Position mit den exakt gleichen Aufgaben und Verantwortungen zurückgegangen. Am Anfang natürlich noch in reduzierter Zeit - angefangen mit 24 Stunden und dann aufgestockt auf 30 Stunden. Ich muss dazu sagen, dass ich das am Anfang auch richtig toll fand und hoch motiviert war, all meine vorherigen Aufgaben trotz reduzierter Stundenzahl gut zu meistern. Es war dann allerdings recht schnell klar, dass das gleiche Arbeitspensum, verbunden mit Reisen, mit reduzierter Stundenzahl nicht umsetzbar war. Allein durch das Reisen hatte ich die 30 Stunden voll, dann fehlte allerdings noch die Nachbearbeitung.
Die Zielvereinbarung wurde daraufhin angepasst und mein Chef hat da an dann die Reisen übernommen und ich mich um das Tagesgeschäft und die Nachbearbeitung gekümmert. Sehr kooperativ und ich hab mich wahnsinnig über das Entgegenkommen gefreut. Das ging auch alles gut bis es dann zum 1. Jahres / Feedback-Gespräch kam. Hier wurde mir dann plötzlich mitgeteilt, dass ich meine Ziele nicht nur nicht erreicht, sondern nicht erfüllt habe. Ungeachtet der neuen Vereinbarung die wir gemeinsam getroffen haben, meinte mein Chef, dass ich meine Ziele (die mit der Stelle verbunden sind) nicht erreicht habe. Die Stelle beinhaltet Reisen und das hätte ich nicht getan. Somit kann er hier leider keine gute Note geben. Auch die Bonus-Vereinbarung wurde nicht angepasst. Das hat mich sehr verärgert und war ein großer Vertrauensverlust. Es wurde letztendlich keine Rücksicht auf meine neue Situation genommen wurde - ich war in der gleichen Stelle mit der gleichen Verantwortung, allerdings mit reduzierter Stundenzahl - und trotzdem wurde von mir die gleiche Leistung erwartet wie bei einem 40-Stunden Job. Was am Anfang vielversprechend klang, weil ich wieder in den gleichen Job zurück konnte/durfte, stellte sich dann für mich am Ende eher als reine Respektlosigkeit dar. Es wurden sich einfach vorher keine Gedanken gemacht, was machbar ist und was nicht.

Ein weiteres Beispiel: leider musste man sich auch hier und da immer wieder Spitzen von den Kollegen anhören. Sprüche wie „Ach gehst Du schon!“ (weil man als Mutter halbtags arbeitet und dann schon um 15:00 Uhr nach Hause geht) sind die Regel, machen einem schlechtes Gewissen und haben mich auch psychisch beschäftigt. Und zwar so sehr, dass ich mich dann dazu entschlossen habe - um diesen Konflikten aus dem Weg zu gehen - 2 Tage ganztags im Büro zu arbeiten (und nicht „schon“ um 15:00 Uhr zu gehen) und die restlichen Stunden aufs Home-Office zu verteilen. Ich wollte mir dieses Gerede dann einfach nicht mehr anhören müssen. Es gibt meiner Meinung nach von Kollegen einfach kein großes Verständnis dafür, dass man ja nach der Arbeit nicht in den Feierabend /Freizeit geht, sondern mit einem Kind die Arbeit dann ja erst richtig los geht.

Was die Arbeitszeiten angeht, wird generell auch wenig Rücksicht genommen. Wichtige Meetings (bei welchen ich als Chefin des Teams auf jeden Fall anwesend sein muss) werden dann von Vorgesetzten einfach immer auf Zeiten gelegt, an denen ich nicht arbeite (sprich Nachmittags oder früher Abend). Ich weiss nicht, ob einfach davon ausgegangen wird, dass ich mir den Termin dann schon „einfach frei schaufel“ und mein Kind einfach schnell zur Oma abschiebe oder ob man denkt, dass ich einfach nicht so wichtig bin. Bedeutet: Man fühlt sich nicht ernst genommen.
Anderen Kolleginnen, die auch Mütter sind, ging es ähnlich. Da wurden dann zwar die Meetings netterweise auf den Vormittag gelegt, dann aber von der Chefin die Anweisung gegeben, die Nachbearbeitung des Meetings bis 17:00 Uhr zu erledigen. Nicht machbar, wenn eine Mutter nur bis 13:00 Uhr im Büro ist und dann ihr Kind abholen muss. Da kam es dann schon auch mal vor, dass die Mütter gestresst und unter Druck gesetzt am Spielplatz angefangen haben den Laptop anzuschalten und von dort aus weiter zu arbeiten. Oder Kunden-Meetings werden auf den Abend gelegt. Dann müssen Mütter mit dem Kind auf dem Schoß wichtige Gespräche führen - und jeder der ein Kind hat weiss, dass das nicht möglich ist. Einfach nicht akzeptabel. Es ruft totale Verzweiflung hervor und macht es Müttern nicht wirklich einfacher. Es wird keine Rücksicht genommen.

Wie siehst Du hier den Vergleich zu anderen Ländern? Erleichtert der Staat DE es den Müttern wieder zurück in den Job zu gehen?

Wie ich es von Kollegen aus den anderen Ländern kenne, ist es dort tatsächlich so, dass die Gesellschaft viel offener mit dem Thema umgeht. In Spanien und England ist es zum Beispiel normal, dass Mütter nach 3 Monaten schon wieder in den Job zurück gehen - und da gibt es dann auch die entsprechende Unterstützung wie z.B. Kitas, die dann eben die Kinder schon ab einem Alter von wenigen Monaten aufnehmen. Deutschland ist hier noch sehr traditionell eingestellt. Keine Kita nimmt Kinder unter 12 Monaten auf. Natürlich müssen große Unternehmen wie z.B. BMW Kinderbetreuung In-House anbieten - allein weil sie wegen der „Gender Equality“ dazu verpflichtet sind und gewisse Richtlinien einhalten müssen. Allerdings hat das ja nichts mit der allgemeinen Ansicht der Gesellschaft zu tun. Es gehen einfach auch viel zu wenig Väter in die Elternzeit obwohl sie es ja rechtlich gesehen dürften. Und das finde ich persönlich ungerecht. Auch bei meinem Mann bin ich mit diesem Thema am Anfang auf Unverständnis gestoßen - für ihn war vor Corona und dem ganzen „Remote arbeiten“ unvorstellbar einen Nachmittag einfach auszusetzen und sich dafür nur um unsere Tochter zu kümmern (sprich: anstelle von 40 Stunden, 35 Stunden zu arbeiten).

Das bedeutet vor Corona konnte Dein Mann es sich nicht vorstellen und jetzt hat sich seine Meinung dazu geändert? Sprich: Väter sollen die Elternzeit aktiv nutzen und ggf. sogar Arbeitsstunden längerfristig zu reduzieren?

Ja, mein Mann hat durch die ganze Arbeitszeit zu Hause gemerkt, dass es durchaus möglich ist, sich auch als Vater ein paar Stunden am Tag um das Kind zu kümmern und dabei den Job nicht gleich zu vernachlässigen. Einfach die Aufgaben gerecht aufzuteilen und dabei trotzdem nicht sofort seine Arbeit vernachlässigen zu müssen. Am Anfang musste ich ihm tatsächlich erst einmal beibringen, wie ein Tag mit unserer Tochter überhaupt funktioniert. Er hatte keine Ahnung von den Essenszeiten unserer Tochter oder wann und ob sie zu Mittag schläft.
Generell bin ich dem Thema gegenüber wahrscheinlich etwas feministisch eingestellt. Frauen in Führungspositionen arbeiten genauso hart wie Männer. Von uns wird allerdings zusätzlich erwartet, sich um das Kind zu kümmern und die Arbeitsstunden zu reduzieren (bei gleichem Arbeitspensum). Warum sollten das nicht auch Männer machen?

Das ist eine interessante Frage! Denkst Du dass Elternzeit bei Männern in Führungspositionen einfach noch nicht so akzeptiert ist wie es eigentlich sein sollte?

Ja, das denke ich. Bei einer Freundin z.B. haben sie dem Mann im Job erklärt, dass er sich von Anfang an abschminken kann, in Elternzeit zu gehen. Das würde in einer Führungsposition nicht funktionieren. Ich denke, dass es - vor allem in Führungsebenen - „noch“ nicht angenommen und akzeptiert ist. Natürlich haben Männer dann auch Angst, dass das “Nehmen von Elternzeit” oder auch das „weniger Stunden arbeiten pro Woche“ ein Ausschlusskriterium für Beförderungen etc. sein könnte. Da ist der Druck von oben wahrscheinlich zu hoch. Zudem leben Männer ja auch immer noch mit dem Grundgedanken, die Familie allein versorgen zu müssen. Obwohl das heutzutage ja auch gar nicht mehr stimmt.

Und glaubst Du, dass sich daran in der Zukunft etwas ändern kann/wird?

Ich denke solange es von ganz oben nicht vorgelebt wird, ändert sich nichts. Damit meine ich, dass z.B. gerade Männer in Führungspositionen damit anfangen sollten, vermehrt Elternzeit zu nehmen. Ein kurzes Beispiel von einem unserer Chefs: er hat vor Kurzem eine Mail an alle Mitarbeiter geschickt, dass er jetzt in Elternzeit geht. Mein erster Gedanke war „muss er jetzt damit angeben, wie toll er ist, dass er in Elternzeit geht…“. Mein zweiter Gedanke kurz danach: „finde ich eigentlich toll, dass er es so direkt und an alle Mitarbeiter kommuniziert, denn nur so macht er allen klar, dass es durchaus OK ist auch als Vater und in einer Führungsposition in Elternzeit zu gehen!“ Und genau das meine ich mit „Vorleben“.

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Hallo,

vielen Dank für das Teilen dieser Eindrücke und es ist bei der wirklich deprimierenden Diskussion über die Öffnungen von Kitas und Grundschulen schön zu lesen, dass es mit der Kinderbetreuung im Homeoffice trotz Corona auch manchmal gut klappen kann. Mir tun die ganzen Kinder, die jetzt nicht in die Schule und Kita können wirklich sehr leid und wenn man nicht gerade Anspruch auf Notbetreuung hat, fragt man sich schon, wie Eltern, die keine Homeofficemöglichkeiten haben, da noch zur Arbeit gehen sollen.

Auch die Gedanken, wie sich die Elternzeit von Männern in naher Zukunft ändern wird, finde ich sehr spannend. Ich glaube, an Frauen, die Kinder und Arbeit unter einen Hut bringen, wird immer noch der Anspruch gestellt, ihre Kinder zu betreuen als würde sie nicht arbeiten und zu arbeiten, als hätte sie keine Kinder. Bei Männern wird das mehr anerkannt. Gleichzeitig sehe ich auch einen Generationenkonflikt: viele meiner Freundinnen und ich (weiblich, geboren Mitte der 90er) hatten Mütter, die lange Zeit zuhause waren (und maximal halbtags gearbeitet haben) und viel Zeit in unsere Betreuung und Ausbildung gesteckt haben. Wir haben extrem davon profitiert, dass unsere Mütter (und es waren eben nicht die Väter) so viel Zeit in uns investiert und uns damit auch den Weg für eine eigene Karriere geebnet haben. Ohne die Väter in unserer Generation wird es schwierig werden unseren Töchtern und Söhnen mal die gleiche Unterstützung angedeihen zu lassen. Deshalb sind solche Vorbilder, wie der im Beitrag beschriebene Chef sehr wichtig (insofern sie nicht nur zwei Monate Elternzeit nehmen, um am besten noch Instagramwirksam durch die Welt zu reisen…)

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Ich glaube das stimmt auf jeden Fall: Wenn ich erzähle, dass ich mich genauso wie meine Partnerin um das Kind kümmere bekomme ich in den meisten Fällen recht viel Anerkennung - wohingegen es als “normal” wahrgenommen wird, dass sie sich mindestens zur Hälfte um das Kind kümmert.

Allerdings gibt es auch einen Aspekt, der öfter zum Vorschein kommt als ich dachte. Ich will damit keinesfalls sagen dass Männer es genausoschwer haben, sondern eigentlich nur eine weitere Facette aufzeigen: Normalerweise hole ich unsere Tochter von der Kita ab, das heisst ich bin dann schon ab 16:30 Uhr nicht mehr für Meetings verfügbar. Es gab vor allem im vergangenen Coronajahr dafür auch nicht immer Verständnis - auch wenn ich pandemiebedingt Termine absagen musste, weil wir uns die Kinderbetreuung teilen wurde ich öfter mal gefragt, ob meine Partnerin denn nicht helfen kann, damit das so wichtige Meeting doch noch um 17:00 stattfinden kann. Ich glaube es gibt manchmal eine romantische Vorstellung davon, dass Väter die gleiche familiäre Verantwortung übernehmen, aber wenn es dann tatsächlich bedeutet, dass damit auch Einschränkungen einhergehen, die Kollegen betreffen, dann ist dafür öfter weniger Verständnis.

Ich glaube dass das System der 40h-Woche auch teil eines patriarchalischen Systems ist, und wenn wir den Anspruch haben, dass es eine bessere Balance zwischen den Geschlechtern gibt, wir auch solche Prinzipien hinterfragen müssen, und inwiefern sie dazu beitragen, dass Ungleichheiten bestehen bleiben.

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich glaube, wenn es um unbezahlte Care-Arbeit geht, was ja Kinderbetreuung ist, stellen sich grundsätzliche Fragen für uns als Gesellschaft. Je mehr Vielfalt in Kinderbetreuungskonzepten gelebt werden, desto mehr werden hoffentlich auch solche Vorstellungen hinterfragt.
Flexibilität und Unterstützung sind meiner Meinung nach vor allem für Alleinerziehende extrem wichtig.