Lockdown Light im November

In ganz Deutschland hat am Montag ein vierwöchiger Teil-Lockdown begonnen, der die zweite Corona-Welle brechen soll.

Das öffentlichen Leben wird heruntergefahren, Theater, Restaurants und Bars müssen schliessen, während Büros und Schulen offen bleiben, ebenso wie Flughäfen, Bahn und Nahverkehr. Und ganz Deutschland diskutiert darüber - natürlich, an so einen Einschnitt ins Leben vor Corona kann sich wahrscheinlich niemand erinnern.

Es wird keine leichte Zeit, aber es liegt auch in unserer Hand, wie wir damit umgehen:

Was bedeutet dieser erneute Lockdown für dich persönlich? Wie gehst du damit um, hast du dich vorbereitet indem du nochmal die ‘Freiheit’ genossen hast, oder hast du dich auf die kommende Zeit vorbereitet? Hast du Pläne für diese Zeit zuhause? Was tust du um mental Ausgleich zu finden, was ist dir wichtig? Was denkst du wie es im Dezember weitergeht?

Freue mich auf interessante Gedanken und Anregungen!

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Vor allem Kulturschaffende schaffen es, öffentlichkeitswirksam auf die massiven Herausforderungen in ihrer Branche aufmerksam zu machen, wie z.B. das Bündnis #AlarmstufeRot und über zahlreiche Hashtags die durch die sozialen Medien gehen, z.B. die vielen Profilbilder zum Hashtag #OhneKunstwirdsstill oder die Orchester, Musiker und Bands die unter dem Hashtag #SangundKlanglos ihre “stillen Auftritte” posten.

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Teilst Du auch die Sorgen dieser Bewegungen? Bist Du vielleicht sogar ein Teil davon? Oder geht es dir ähnlich, aber du arbeitet in einer Branche die nicht so viel öffentliche Unterstüztung erfährt?

Ich würde mich freuen von dir zu lesen!

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Hallo, vielen Dank für diese Einladung zu einer gedanklichen “Zeitreise” in späte 2020! Es ist schon merkwürdig, jetzt (Februar 2021) die gesellschaftlichen Sorgen von November/Dezember Revue passieren zu lassen. Ende November schien unsere größte Sorge das Weihnachtsfest zu sein: Würde man es im Kreise der Familie feiern können, oder würde es zum größten Teil aus Zoom-Festtagsessen bestehen? Damals wurde noch wenig über die Corona-Mutanten gesprochen und es war noch nicht bekannt, dass die EU zu geringe Mengen Impfstoff bestellt hatte. Daher schien der Lockdown Light im November wie ein letzter Kraftakt, der uns zum gewünschten Ergebnis - ein vor dem Coronavirus sicheres Weihnachtsfest - führen könnte und sollte. Ich war damals skeptisch: Würden die Ansteckungsraten im Winter nicht sowieso noch krasser ansteigen, wie es auch für die Influenza üblich ist, und würde ein Lockdown Light da genügen? Und natürlich: Ist unsere größte Sorge wirklich Weihnachten? Weihnachten sind drei Tage - COVID wird uns möglicherweise noch bis 2022 und darüber hinaus beschäftigen.

Ich habe den deutschen Lockdown damals sehr ernst genommen - auch wenn ich momentan nicht selbst in Deutschland lebe. Es war erneut ein Prozess des “Einigelns”: Einkäufe auf Vorrat und möglichst wenig Kontakt zu Freund:innen und Bekannten. Außerdem habe ich wenn immer möglich das Angebot meines Arbeitgebers zum Home Office genutzt, um die Kolleg:innen, die vor Ort sein mussten, nicht unnötig zu gefährden.

Ich denke, dass mir der Lockdown trotz all der Belastung leichter gefallen ist und weiterhin fällt als anderen Menschen, insbesondere meinem Partner. Ich selbst bin festangestellt und habe ein festes Einkommen. Auch verträgt sich mein Job gut mit Home Office. Mein Partner, im Gegenzug, ist freischaffender Musiker. Seit bald einem Jahr nun hat er so gut wie keine Einkünfte - die Ausgaben laufen aber natürlich weiter. Die Unsicherheit macht ihn und seine Kolleg:innen aus der Musikbranche fertig: Damals, im Herbst, waren wieder Konzerte und Gigs geplant, die dann aber doch alle abgesagt werden mussten. Oft riefen die Veranstalter:innen nicht mal mehr an, um das Konzert offiziell abzusagen, da die allgemeine Frustration zu hoch war.

Jetzt, im Februar 2021, fühlen wir uns vor allem resigniert. Inzwischen wissen wir, dass die Lockerungen über Weihnachten sehr wohl Auswirkungen hatten - vielleicht nicht so sehr in Deutschland, aber die weihnachtlichen Familienbesuche in Portugal, beispielsweise, dürften bedeutend zum Anstieg der Neuinfektionen mit dem mutierten Coronavirus zusammenhängen. Wer glaubt, dass sich diese mutierten Viren, welche z.T. bedeutet ansteckender sind, nicht auch bald im Rest Europas ausbreiten werden, und dass immer wieder neue Mutationen entstehen werden, ist wohl naiv. Dazu kommen die Verzögerungen bei den Impfungen: Anscheinend hat die EU zu wenig Impfstoff zu spät bestellt. Inzwischen bin ich sicher, dass der Lockdown in gewisser Weise noch lange fortbestehen wird – zumindest für die Musikbranche, die von Live-Performances abhängig ist. Ich hoffe, dass wir gesellschaftlich noch neue Wege finden werden, um die Branchen, die besonders von der Krise betroffen sind, unterstützen können – finanziell und emotional.

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Hallo @Biene, danke für Deinen Beitrag und willkommen hier in der Diskussion!

Ja absolut, im Rückblick ist es schon merkwürdig - durch Corona verlangsamt sich auf der einen Seite vieles (“Einigeln”), auf der anderen Seite ändern sich manche Dinge so rasant, dass man sich nur ein paar Wochen später fragt, wie naiv man eigentlich damals war.

Was ich mich gerade frage ist, ob vielleicht das Gleiche auch mit dem Thema Impfungen passieren könnte. Aktuell wird ja viel darüber geschrieben, wie die Impfungen in Europa zu langsam gehen, dass die EU zu schlecht verhandelt hat, zu knausrig war, und zu spät war.

Dies ist jetzt nur Spekulation, aber ich finde es auch irgendwie nachvollziehbar, anzuerkennen, dass wir noch am Anfang einer recht ungewöhnlichen Herausforderung stehen bzw. damals standen, und es eben noch nicht klar war, welcher Hersteller als erstes etwas entwickeln wird. Vielleicht sieht es tatsächlich in 4-8 Wochen anders aus - und natürlich tut jeder Tag im Lockdown weh, aber vielleicht ist diese Kritik gerade einfach ein Ventil, was nach so vielen Monaten der Pandemie gebraucht wird.

Natürlich müssen sich Verantwortliche immer Kritik stellen, und ich glaube da gibt es diezbezüglich auch mehr als genug, angefangen von schwer nachzuvollziehenden Gesundheitsmassnahmen bis hin zur Verteilung von Rettungsgeldern an Unternehmen wie Lufthansa während andere Branchen extrem leiden müssen.

Ich dachte nur gerade, dass die Bilder von leeren Impfzentren eigentlich ein “nice problem to have” sind - andersherum wäre es noch tragischer, wenn Impfstoff da wäre, aber die Infrastruktur noch nicht steht oder es da sogar soviel Gedränge gäbe, dass es gerade dort zu vermehrten Ansteckungen kommt. Dass es keine absolute Punktlandung ist, Impfstoff und -zentren zum gleichen Zeitpunkt verfügbar zu haben, kann ich fast nachvollziehen.

Ich hoffe dass es wirklich so ist, und wir in 1-2 Monaten schon ganz anders auf die Impfsituation schauen, und uns auch noch mehr darüber unterhalten, dass es ja nicht nur um das eigene Impfen geht, sondern dass wenn wir wirklich die Pandemie bekämpfen wollen, wir einen globale Lösung brauchen, damit der Virus nicht woanders weitermutiert während wir uns hier in Europe gut geimpft in Sicherheit wägen.

Hallo @hires, danke für das willkommen hier! Es ist ein interessantes Forum!

Ich hoffe dass es wirklich so ist, und wir in 1-2 Monaten schon ganz anders auf die Impfsituation schauen, und uns auch noch mehr darüber unterhalten, dass es ja nicht nur um das eigene Impfen geht, sondern dass wenn wir wirklich die Pandemie bekämpfen wollen, wir einen globale Lösung brauchen, damit der Virus nicht woanders weitermutiert während wir uns hier in Europe gut geimpft in Sicherheit wägen.

Damit sprichst du etwas sehr wahres an - wir müssen auch über Deutschland und Europa hinausschauen, um eine nachhaltige und solidarische Lösung weltweit zu finden. Der neue (Impf-)Nationalismus und die geopolitischen Machtaktionen im Zusammenhang mit dem Impfen stören mich sehr. Daher finde ich es eigentlich auch gut, dass Deutschland als Staat sich einigermaßen solidarisch mit den kleineren Nachbarländern gezeigt hat und die Beschaffung des Impfstoffs an supranationale Organe weitergereicht hat - selbst wenn es damit zu Verzögerungen beim Impfen der deutschen Bevölkerung von einigen Wochen gegeben hat/gibt.
Heute habe ich erfahren, dass an den Grenzen zu Tschechien und Österreich inzwischen wieder kontrolliert wird - wegen der Virusmutationen. Ich hoffe sehr, dass sich das nicht in eine Welle weiterer Grenzschließungen wie im März/April 2020 ausweitet.
Langfristig hoffe ich, dass die supra- und internationale Organisationen wie die EU infolge der Krise gestärkt werden: Nichts hat so klar gezeigt, dass Nationalismen globale Probleme wie einen Virus nicht bekämpfen können. Hoffentlich wird das auch allen in Sachen Klimawandel klar!

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Ja, absolut - ich hoffe darauf, dass durch diese Erfahrung einer globalen Pandemie (und Rückschläge die wir wahrscheinlich erfahren werden, solange wir da nicht an Lösungen für alle arbeiten) mehr Menschen erkennen, wie wichtig es auch beim Klimawandel ist, nicht in Nationalismen zu verharren.