Susanne ist Hochzeitsfotografin und mit Beginn der Pandemie ist ihr von heute auf morgen der gesamte Jahresumsatz weggebrochen. Sie hat mit sehr viel Eigeninitiative schnell reagiert und sich nach Alternativen umgeschaut. Sie erzählt uns vom steinigen und langen Weg zum neuen Job!
Wie hast Du das letzte Jahr wahrgenommen? Was hat sich bei Dir durch Corona verändert?
Ich erzähle mal von meinen Erfahrungen im Bereich Arbeit. Der 1. Lockdown war für mich als Hochzeitsfotografin natürlich eine Vollkatastrophe – denn genau zum Anfang der letzten Hochzeitssaison hat alles zugemacht. Alle Hochzeiten wurden abgesagt. Zuerst waren es nur 2 Hochzeiten und dann hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass es tatsächlich alle Hochzeiten der Saison werden. Das hieß für mich: der Jahresumsatz ist von heute auf morgen komplett weggebrochen.
In meiner Branche (Event- und Hochzeitsbranche) war und ist die Situation natürlich mehr als schwierig. Die Soforthilfe habe ich gleich am Anfang beantragt und auch recht zügig erhalten. Weil ich auch sehr schnell dahinter war und reagiert habe. Trotzdem ist es natürlich für eine Branche die ohnehin nur aus Saisonarbeit besteht mehr als schwierig wenn dann genau diese wichtige Saison weg bricht. Die Soforthilfe hat da leider bei weitem nicht ausgereicht. Man musste man an Reserven gehen und Angespartes.
Du sagst die Soforthilfe kam zwar schnell, hat aber nicht gereicht. Was hättest Du gemacht, wenn Du keine Reserven gehabt hättest?
Dann hätte ich einen Kredit aufnehmen müssen. So wie ich es verstanden habe, wäre das zu diesem Zeitpunkt auch noch möglich gewesen bzw. es wurden noch problemloser Kredite vergeben. Durch meine Reserven kam ich da allerdings zum Glück drum herum. Denn was hätte es mir gebracht, wenn ich mich dann auch noch mit einem Kredit verschulde. Wenn ein ganzes Jahresgehalt weg bricht und dazu dann auch noch Schulden kommen – schlimmer geht es finanziell gesehen ja kaum. Die Option Kredit habe ich somit nicht wirklich als Option gesehen und habe dann versucht mit den Reserven klar zu kommen und mich um alternative Einnahmequellen bemüht.
Du hattest dann ja von jetzt auf gleich als Selbstständige keine Arbeit mehr. Sicherlich eine schwierige Situation. Hast Du Dich nach Alternativen umgesehen? Oder erst einmal abgewartet, wie sich die Situation entwickelt?
Nein, ich habe tatsächlich sofort reagiert. Ich habe erst einmal geschaut, welche Arbeit gibt es noch (da ja nicht mehr alles offen hatte) und was kann ich machen? Da kamen dann Supermärkte und Baumärkte in Frage. Ich habe mich sofort bei allen Baumärkten in der Umgebung beworben. Beim Vorstellungsgespräch kam dann allerdings leider sehr schnell raus, dass sie mich nicht wollen, da ich überqualifiziert bin und sie vermuteten/wussten, dass ich nach der Krise direkt wieder weg wäre und in meinen alten Job /Selbständigkeit zurück gehen würde. Sie wollten natürlich jemanden der sich auch ohne Lockdown an die Kasse setzt.
So blieb mir keine andere Wahl: ich musste mich arbeitslos melden. Da ich ja selbstständig bin/war, musste ich dann auch direkt Arbeitslosengeld 2 beantragen. Dann kam allerdings raus - da ich ja mit meinem Partner in einer Eheähnlichen Wohngemeinschaft zusammen lebe, und wir dadurch beide unsere Gehälter angeben mussten - dass ich Nichts bekomme. Das heißt, ich wäre einfach komplett ohne finanzielle Unterstützung dagestanden. Weil – auch wenn wir nicht verheiratet sind – er Geld verdient und mich hätte aushalten müssen. Das kam natürlich nicht in Frage.
Also blieb mir da auch nichts anderes übrig und ich bin ausgezogen – zu meinen Eltern. Ich habe mich umgemeldet und konnte somit wenigstens Arbeitslosengeld 2 beantragen. Das hat natürlich hinten und vorne auch nicht ausgereicht, aber so hat man wenigstens ein bisschen was bekommen.
Da hat es Dir der Staat dann ja nicht sehr einfach gemacht? Kann man somit sagen, dass Du Dich vom Staat nicht wirklich unterstützt /aufgefangen gefühlt hast?
Ganz ehrlich: mir wurden ganz viele Steine in den Weg gelegt! Es wurde zwar ganz groß in den Medien verbreitet, dass man nur mit einem Formular und „super schnell“ und problemlos Arbeitslosengeld beziehen kann - es waren am Ende 25 Formulare, die man als Selbstständiger ausfüllen musste! Ich habe tagelang daran gesessen! Dann habe ich es abgegeben und erfahren, nein ich bekomme nichts wegen meines Partners, und dann durfte ich das alles nochmals neu ausfüllen und nochmals neu hinschicken und auch nur im Ermessen meines Beraters wurde es dann letztendlich genehmigt. Von wegen nur 2 Formulare und es geht ganz schnell.
Du meintest ja, dass Du leider nur Absagen auf Deine Bewerbungen erhalten hast. Hast Du auch überlegt, was Du langfristig mit Deiner Selbstständigkeit machen willst und ob Du vielleicht sogar etwas komplett anderes angehen möchtest? Es war ja dann sehr schnell klar, dass nicht nur eine Hochzeitssaison ausfallen wird…
Ich habe mir tatsächlich schon vor Corona überlegt ein 2. Standbein aufzubauen und durch den Lockdown und die Arbeitslage hat sich dieser Gedanke dann schnell in die Realität umgesetzt.
Ich wollte ins Marketing - ich habe in diesem Bereich bereits vor meiner Selbstständigkeit gearbeitet - und erst einmal geschaut: wo liegt in diesem Bereich die Zukunft? Dann war für mich recht schnell klar: im Social-Media-Bereich. Dabei sollte mir mein Designstudium, meine jahrelange Arbeit als Fotografin und mein Interesse für digitale Medien helfen. Somit habe ich mich auf die Suche nach einer Teilzeitstelle gemacht, damit ich nach Corona dann auch wieder mit der Fotografie weitermachen kann. Wie durch ein Wunder habe ich dann tatsächlich eine Stelle gefunden. Wenn auch nicht festangestellt, aber als freie Mitarbeiterin und regelmäßig. Das nimmt einem natürlich schon erst mal die Angst vor der Zukunft.
Ich hatte dann am Ende auch das Glück, dass mir das Arbeitsamt – nach langem hin und her – die Weiterbildung zur Social-Media-Managerin finanziert hat. Aber auch hier: es wurden mir sehr viele Steine in den Weg gelegt bis ich am Ende den Zuschuss erhalten habe. Erst nach einem 3-monatigen Bewerbungsprozess kam es zur Weiterbildung. Zu diesem Zeitpunkt habe ich den Job längst gefunden. Und tatsächlich habe ich den Job auch fast nicht bekommen. Kurz zum Ablauf: ich hab den Job im Bewerbungsprozess der Weiterbildung gefunden und eigentlich war die Voraussetzung für den Job eben diese Weiterbildung. Das habe ich dem Arbeitsamt auch mitgeteilt – nur leider habe ich trotzdem erst 3 Monate später das OK zur Weiterbildung bekommen. Wenn der Arbeitgeber nicht so offen und verständnisvoll gewesen wäre, hätte ich den Job am Ende deswegen nicht bekommen. Daher auch hier wieder: Steine, Steine, Steine! Deutschland ist einfach viel zu bürokratisch. Mit ganz viel Betteln und Hin und Her und auch hier wieder: ein Formular nach dem anderen ausfüllen, hat es dann wirklich ganz kurz vor knapp doch noch geklappt. Ein sehr komplizierter Prozess. Eigentlich sollte man ja denken, dass das Arbeitsamt einem bei der Jobsuche unterstützt und fördert - am Ende wurde es mir nur noch komplizierter und sogar fast unmöglich gemacht.
Ich denke, wenn man kann Eigeninitiative zeigt und nur wartet, dass einem geholfen wird, dann kommt hier in Deutschland nichts dabei rum. Letztendlich wäre ich mit gar nichts dagestanden wenn ich nicht immer wieder nachgehakt hätte und Alternativen gesucht hätte um an finanzielle Unterstützung zu kommen.
Siehst Du hier auch nochmals Unterschiede in der Unterstützung der Selbstständigen vs. Angestellten?
Ja absolut. Die Selbstständigen schaffen die Arbeitsplätze für die Angestellten. Aber was ja eigentlich das Ziel sein soll – dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden – wird durch das „kaum unterstützen“ der Selbstständigen somit noch mehr verhindert. Die Arbeitslosigkeit erhöht sich meiner Meinung noch mehr, indem die Selbstständigen nicht unterstützt werden!