Von Workshops zu Sauerteig: Aus Leipzig online

Kristýna organisiert Workshops für Unternehmen und erzählt von ihren Herausforderungen und auch Chancen in diesem Jahr der Onlinearbeit - und was die Zeit nach Corona bringen könnte.

Wie hat Corona Dein Arbeitsleben beeinflusst?

Kristýna: Es hat sich bei mir sehr viel in der Art zu arbeiten verändert. Ich bin im Bereich Innovation & Strategie tätig und organisiere Workshops für Unternehmen & Organisationen, mit dem Ziel sie und deren Belegschaft auf die Zukunft besser vorzubereiten. Durch Anpassung existierender oder Entwicklung neuer Ideen und Geschäftsmodelle, Erleben von neuen/anderen Arten der Zusammenarbeit und Organisation. Vor Corona waren das zu 100 % Begegnungs-Workshops - das funktioniert natürlich so nicht mehr. Ein großer Teil unseres Geschäfts ist somit durch Corona eingebrochen.

Auf der anderen Seite ergaben sich natürlich auch neue Chancen, zusammen mit loyalen Kunden, den gemeinsamen Schritt in die Online-Welt zu wagen und damit eine komplett neue Version von Begegnungs-Workshops innerhalb der digitalen Welt zu schaffen. Durch mehr Ortsunabhängigkeit und Flexibilität öffnen sich hier ganz neue Türen – auch was das Generieren neuer Kunden angeht.

Auch meine Arbeitsroutine hat sich verändert. Da ich mittlerweile zu 80% vom Home-Office aus arbeite, musste ich mich anfangs vielen neuen Herausforderungen stellen. Sehr schwierig war es z.B., mir die nötige Ruhe zu schaffen und mich nicht ablenken zu lassen. Da ich in einer WG lebe, ist das im Home-Office natürlich nicht immer einfach.

Insgesamt muss ich allerdings sagen, dass ich mich in Deutschland sehr aufgefangen fühle. Der Staat unterstützt einen z.B. mit Kurzarbeitshilfe wo es nur geht.

Wie hat Corona Dein Sozialleben beeinflußt?

Ich war gewohnt zu Reisen. Da meine Familie in Tschechien lebt, habe ich sie fast alle 2 Monate besucht. Das geht natürlich jetzt nicht mehr. Auch mit Freunden habe ich viele Kurz-Trips übers Wochenende unternommen - das ist durch Corona alles ausgefallen. Was mir somit am Meisten fehlt: die Weite, der Ausblick und ein anderes kulturelles Setting.

Während der Corona-Zeit haben sich tatsächlich 3 neue Haupt-Beschäftigungen in meinen „neuen“ Alltag integriert.

Selbst frischen Sauerteigbrot backen, als neue Beschäftigung für zu Hause - und damit einhergehend, ein stärkerer Bezug zum Essen und zu den Produkten, die wir tagtäglich zu uns nehmen.

Als zweite neue Routine: viel Bewegung in der Natur, gepaart mit dem Beginnen eines neuen Sports, dem Fahrrad fahren - aus Zeitgründen hat mir vor Corona einfach der Anreiz und die Muße dazu gefehlt, ausreichend Bewegung in meinem Alltag zu integrieren.

Und als dritter wichtiger Punkt: mehr sozialer Kontakt zu meinen Freundinnen. Durch das Einführen von regelmäßigen Video-Calls, vor allem in der Anfangszeit von Corona, in der wir alle noch zu Hause waren, ergab sich die Möglichkeit, mich viel mehr mit diesen meinen Freundinnen auszutauschen. Auch für mein Leipziger Freundeskreis haben sich aber solche regelmäßige online Kaffee-Klatschs oder Pizzabande etabliert. Zusammengefasst war ich daher wirklich wesentlich mehr im Austausch mit Freund*innen als vor Corona.

Das Leben in Leipzig

Ich bin vor 7 Jahren wegen des Studiums von Tschechien nach Leipzig gezogen. Ich finde, dass Leipzig eine wirklich spannende Stadt ist. Gerade auch die soziale Entwicklung, die Leipzig in den letzten Jahren durchgemacht hat, finde ich beeindruckend. Es ist die am schnellsten wachsende Stadt Deutschlands was den Bevölkerungszuwachs angeht. Gleichzeitig ist Leipzig nicht so konservativ eingestellt, wie viele andere Städte Deutschlands. Es gibt Raum und viele Freiheiten, auch aktiv mitzugestalten. Die Menschen sind sehr weltoffen und das schätze ich sehr.

Leider sind die Jobmöglichkeiten sind hier sehr begrenzt. Es gibt zwar einen tollen Wohnungsmarkt, der viele Menschen lockt, aber leider keine guten Jobs für Absolvent*innenen. Leipzig hat 2 große Universitäten und die Nachfrage wäre eigentlich da – das Angebot aber leider nicht. Viele meiner Freunde hatten nicht so viel Glück wie ich hatten und mussten dann einfach die Stadt verlassen, weil sie hier keinen Job gefunden haben.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich Leipzig als Unternehmensstandort etabliert hat. Die Stadt spricht zwar viele junge Menschen an, hat meiner Meinung nach allerdings vernachlässigt, auch Industriepartner und Unternehmen nach Leipzig zu locken. Auf der anderen Seite denke ich, für die Leute, die sich selbstständig machen wollen, sich Etwas trauen und nicht von einem Standort abhängig sind, für die könnte es tatsächlich eine attraktive Stadt zum Leben sein. Gerade auch weil der Wohnungsmarkt und das Leben hier nicht so teuer sind wie in anderen Städten Deutschlands.

Ein Blick in die Zukunft – das Leben nach Corona

Aktuell sind ja alle Gastronomie-Betriebe hier in Leipzig geschlossen. In Zukunft würde ich viel mehr Essen gehen und entdecken, was Leipzig gastronomisch noch zu bieten hat. Auch das Thema Kultur ist uns sehr wichtig. Regelmäßige Museumsbesuche, Kino, Galerien, Pop-Up-Konzerte. Natürlich frage ich mich auch: wird es irgendwann wieder möglich sein, ohne Bedenken in einer Menschenmasse tanzen zu gehen? Ohne diesen ständigen Begleiter „Angst“.

Ich denke “nach Corona” wird es erst einmal noch mehr Platz in der Stadt geben. Viele Geschäfte im Zentrum sind mittlerweile durch Corona Pleite gegangen und mussten schließen. Die Stadt versucht in der Zwischenzeit andere Nutzungsmöglichkeiten (z.B. durch pop-up stores) zu finden. Aber ob Leipzig damit wirklich neue Chancen schafft, bleibt abzuwarten.

Ich sehe es auf jeden Fall so, dass wir auch nach der Corona-Krise mehr ONLINE arbeiten werden als vorher und die Menschen diese Entwicklung eher dafür nutzen werden, aufs Land zu ziehen. Daher werden sich meiner Meinung nach, eher Chancen für ländliche Räume ergeben. Auf dem Land ist das Leben auch nochmals deutlich günstiger als in der Stadt. Und gerade auch der Wunsch und die Sehnsucht nach naturnahem Leben, ist im Lockdown nochmals deutlich angestiegen.

Die Frage ist dann allerdings: was passiert mit den ganzen Büroflächen und Läden in den Städten, mit der Gastronomie? Wird dann alles Pleite gehen, weil keiner mehr zu Mittag essen geht? Ich weiß, keine wirklich positiven Szenarien, die ich hier aufzeige, aber vielleicht auch ein Weckruf an die Städte, wie ein mögliches Szenario aussehen könnte und was man jetzt schon dagegen tun könnte.

Aus dieser Zeit mitnehmen würde ich die Online-Workshops, vor allem für Kund*innen die nicht vor Ort sind. Denn das würde auch weniger reisen bedeuten, was wesentlich klimafreundlicher ist und vor allem bei Themen der Wissensvermittlung sehr gut umsetzbar ist.

Natürlich auch meinen Sauerteig, das Fahrradfahren und eine gewisse Wertschätzung für die Dinge, die man sonst als komplett normal wahrgenommen hat.

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Ich konnte so vieles im Text von Kristyna so gut nachvollziehen! Ich selber bin dem Lockdown aus der Großstadt aufs Land entflohen und nach vielen Jahren habe ich zum ersten Mal viel Zeit am Stück in meinem alten Dorf im Südwesten Deutschlands verbracht.

Gerade die Dinge, die ich am Leben in der Großstadt liebe, sind in Coronazeiten gestrichen: die kulturellen Angebote (sei es klassisches Theater, Stand-up oder interessante Vorträge und Festivals), das bunte kulinarische Angebot und öffentlicher Verkehr, der bis spät in die Nacht läuft und noch vieles mehr.

Auf dem Land hatten wir witziger Weise nie so leere Regale in den Supermärkten wie auf den Bildern von Großstädten und bei uns im Dorf mussten sie irgendwann im ersten Lockdown sogar den Wanderparkplatz schließen, weil so viele Tagesausflügler:innen hier her zum Wandern gekommen sind. Ich kann im Homeoffice zwischen zwei Konferenzen in Berlin und London hin und her springen und es ist schön, dass sich die Leute hier auch auf der Straße mehr grüßen als in den Städten.

Trotzdem vermisse ich das normale Stadtleben und meine Leute dort. Durch Skype, zoom und so weiter kann man mit Freund:innen in Kontakt bleiben- ja, aber inzwischen fehlen mir auch sehr diese Zufallsbegegnungen mit Kolleg:innen oder Bekannten. Man konzentriert sich auf ein paar wenige Kontakte, aber nach einem Jahr Corona passiert bei den Leuten auch nicht mehr so viel neues im Leben und das ist auch ganz schön deprimierend.

Ich glaube wenn Corona vorbei ist und die Leute noch genug Geld haben, wird es eine große Aufholwelle geben (an Urlauben, Partys, Events und so weiter).

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Das kann ich mir gut vorstellen - ich höre immer mehr dazu, wie Menschen jetzt gerne Urlaube oder Feste planen wollen, einfach um etwas zu haben, auf was sie sich (vor)freuen können!

Wirst Du denn wieder zurück zum Stadtleben gehen, und falls ja, was denkst Du wirst Du vom Dorfleben vermissen?

Ich bin leider was das Urlaubsplanen eher skeptisch. Ich verstehe, dass man gerne was buchen möchte, um etwas zu haben, worauf man sich freuen kann. Aber ich fand das Stornieren von Plänen letztes Jahr ziemlich deprimierend und will das glaube ich dieses Jahr lieber vermeiden.

Das ist eine gute Frage. Erstmal freue ich mich wieder auf die Stadt und hoffe, dass es bald wieder mehr Normalität gibt. Gleichzeitig kann ich mir inzwischen wieder besser vorstellen, später nicht in einer Großstadt zu leben.
Auf dem Land fehlt es zwar oft an Vielfältigem Angebot, aber es ist vieles persönlicher, man hat mehr Wohnraum und Natur. Ich denke, am besten ist eine Kleinstadt, die im Speckgürtel einer größeren Stadt liegt.

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Hallo! Danke für diese wichtige Diskussion! Ich habe mich schon öfters gefragt, was die langfristigen Folgen der Pandemie auf Städte und städtisches Leben sein werden. Ich gehe davon aus, dass das Stadtleben neben den offensichtlichen Vorteilen einige inhärente Nachteile hat - z.B. schlechte Luft, kleine Wohnungen, hohe Mietpreise und Lebenshaltungskosten, wenig “Grün”, gestresste Menschenmassen in überfüllten U-Bahnen, lange Wege, usw. Ich habe den Lockdown in der Großstadt verbracht und schmerzlich feststellen müssen, dass in der Krise die meisten Vorzüge des städtischen Lebens wegfallen, während viele der Nachteile bestehen bleiben. Von Freund:innen aus teuren europäischen Großstädten wie Paris und London habe ich bereits gehört, dass sie nachdenken wegzuziehen, weil sich Mietpreise von mehreren Tausend Euro im Lockdown einfach nicht auszahlen. Auch ich wäre lieber in einer Kleinstadt oder sogar auf dem Land, wo man sorgenfrei ohne Maske im Grünen spazieren kann …!

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Das ist auch sehr verständlich. Machst du auch noch keine Pläne wann du zurückziehst? Machst du das von gewissen Kriterien abhängig? Oder: Wie “normal” muss es sein, damit es Sinn macht, zurückzuziehen?

Das sagt ja auch @kristyna1, also dass es Menschen eher aus den Städten ziehen wird:

Überlegst du denn konkret, in eine Kleinstadt oder aufs Land zu ziehen?

Hmm… das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Nähe zu meiner Familie auf dem Land genieße ich während dem Lockdown, allerdings ist das Stadtleben ja nicht nur wegen seiner Vielseitigkeit so beliebt. Gerade wenn es um Jobmöglichkeiten geht, kann das Leben auf der Schwäbischen Alb zum Beispiel nicht so recht mit Stuttgart mithalten. Aber auch Themen wie Bildungsmöglichkeiten und medizinische Versorgung sind auf dem Land nicht so wie in der Großstadt.

Vermissen werde ich all das, was Biene in ihrem Kommentar gut beschrieben hat und die Nähe zu meiner Familie. Zudem kommt für mich dazu, dass das Schwabenländle für mich Heimat ist (was nicht per se gleichzusetzen mit Landleben ist, da es ja auch noch Stuttgart gibt) - hier kann ich Dialekt sprechen, über “Fasnet” sprechen ohne dass nachgefragt wird, ob ich nicht eigentlich Karneval meine und so weiter, ich kenne das kulturelle Skript sozusagen.
Aber das ist auch irgendwie halt einfach so, weil mich meine Biographie mit dem ländlicheren Raum verbindet. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass im ländlicheren Raum der persönlichen Entfaltung abseits der strikten Norm stärkere Grenzen gesetzt sind und Zugezogene brauchen sehr lange, bis sie wirklich Teil der dörflichen Gemeinschaft sind.

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Zur Frage noch nach konkreten Plänen: das kommt darauf an, wie viel Freiheiten die Coronaregeln und die aktuellen Pandemielage vor Ort zulassen- etwa, ob ich zumindest ab und zu ins Büro kommen kann oder ich mich mit Freundinnen und Freunden treffen kann/darf und so weiter.

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Gab es denn Erfahrungen dazu, die du dazu schon gemacht hast? Es klingt sehr schlüssig, natürlich bietet die Stadt mehr Chancen. Auf der anderen Seite könnte eine schnellere Digitalisierung die Unterschiede vielleicht im Bildungsbereich etwas verkleinern - bei der medizinischen Versorgung ist das wahrscheinlich eher anders, oder täusche ich mich da?

Zum Glück hatte ich es selber noch nicht so häufig mit Fachärzten zu tun. Jedoch nimmt seit Jahren der Hausärztemangel besonders auf dem Land zu und für spezialisierte Fachärzte muss man dann in die nächste größere Stadt fahren, schon für so was “exotisches” wie einen Dermatologen etwa.
Immerhin liest man immer wieder von interdisziplinären Medizinischen Zentren nach Skandinavischem Modell, wie etwa das Medicolleg in Crailsheim, und hoffentlich kommt dann auch zunehmend Telemedizin und online Kooperation etwa mit Unikliniken zum Tragen.