Listening Triads - People on the move (English translation here).
Hast du Erfahrung damit, on the move zu sein?
Ich habe 5 Jahre lang in Guangzhou, China gewohnt – hingezogen mit 12 – wegen der Arbeit meines Vaters.
Wie kam es dazu, dass er dahin ziehen musste?
Ihm wurde ein Job angeboten – wir haben dann entschieden bzw. meine Eltern, dass wir mitkommen, weil wir uns sonst nicht oft sehen würden und es auch eine Möglichkeit ist den Horizont zu erweitern – also waren wir people on the move.
Wie war der Moment als du wusstest OK ich muss jetzt nach China ziehen? Hattest du vorher schon mal Kontakt zu China?
Nein. Ich fand‘s gut – eigentlich. Meine Brüder fanden es richtig scheiße – haben geheult und hatten gar keine Lust. Ich war traurig mein Zuhause zu verlassen, aber habe es auch als Möglichkeit gesehen Neues zu erkunden, neue Sachen, neue Sprache, Kultur und so. Was kann ich noch sagen? Es gibt so vieles. Es war auf jeden Fall schwierig sich dort einzufinden, weil der Alltag und die Einstellung sehr anders waren als in Deutschland. Also insgesamt, wie die Leute gelebt haben. Kultur bedeutet ja nicht nur Tanz und Musik, das schlägt sich ja überall nieder: wie die Häuser aussehen, wie das U-Bahnnetz aufgebaut ist, wie sich Leute begrüßen…
Hat man gemerkt, dass das Alter einen Unterschied macht? Deins und das Alter von deinem Vater, also wie man verschieden den Alltag wahrnimmt und sich integriert als Erwachsener und als Kind?
Der größte Unterschied bestand bei mir und meiner Mutter. Mein Vater hatte ja dort schon Kollegen/Freunde…sein Alltag war nicht so anders. Meiner Mutter fiel es schwer Kontakte zu knüpfen. Wir Kinder sind ja über die Schule eingebunden worden. Aber die Erwachsenen mussten sich selbst zurecht finden. Es gab auch Support -Organisationen, aber das waren dann kurze Willkommens-Veranstaltungen und dann ging es nicht weiter. Zudem ist es für ältere Menschen umso schwerer die Sprache zu lernen. Als Kind geht das noch leichter.
Ich weiß nicht, ob das jetzt zu persönlich ist…aber was hat deine Mutter dort gemacht? Dein Vater hatte den Job und ihr Kinder die Schule, aber wie war das für deine Mutter?
Sie hatte keine Arbeit….jetzt speziell. Aber über die Jahre hat sie sich selbst integriert in die Gesellschaft der Eltern, Nachbarschaft und Schule…sie war z.B. im Elternbeirat. Und sie hat dann viele gemeinnützige Projekte angefangen selber zu organisieren, selbst angefangen Willkommens-Treffen für neue Leute an der Schule zu organisieren, Wochenendausflüge für Eltern und Kinder und eine Fußball-Liga. Außerdem hat sie Bücher geschrieben, so Guide-Books, die die wichtigsten Dinge erläutern: Ärzte, die Englisch sprechen; wo man Schuhe findet, die groß genug sind, weil die Asiaten ziemlich kleine Füße haben, 38 findet man noch, aber mit 42 hat man kaum eine Chance, da muss man die Insider-Tipps kennen.
Warst du auf einer normalen Schule?
Wir waren auf einer internationalen Schule, als experts und sehr abgeschirmt von den locals.
Was war das für eine Erfahrung? Gut oder schlecht?
Beides! Ich fand es immer schon einen krassen Unterschied zwischen der chinesischen Kultur und meiner eigenen. Irgendwie ist es schon auch schade, dass man nicht so viel interagiert hat mit Chinesen. Aber durch die Schule habe ich auch die Option bekommen ganz viele verschiedene Kulturen kennenzulernen, auch die chinesische. Man ist viel rumgereist und hat auch schon einiges angenommen. Man hat sich aber schon auch als Fremder gefühlt und wurde auch als Fremder angesehen. Ich weiß nicht ob das deine Frage so beantwortet…
Hast du denn dann China generell als Land empfunden, das offen für sowas ist? Oder eher als ein nicht so offenes Land für Fremde?
Mein Eindruck ist nochmal ein ganz anderer, als der meiner Mutter. Sie hat viel mit chinesischen Organisationen gearbeitet durch ihre Projekte. Ich hatte nie das Gefühl, das wir feindselig angeschaut wurden, aber es gab auch nicht nur Offenheit. China hat geschichtlich gesehen nicht nur die besten Erfahrungen mit Ausländern gemacht: Im 20 Jahrhundert wurden sie von verschiedensten Kolonialmächten ausgebeutet.
Wie war es für dich dann nach Deutschland zurück zu kommen?
Ich bin ja gar nicht direkt zurück, sondern erstmal nach England. Aber es war eigentlich, als wäre ich nie weg gewesen, weil wir auch immer in den Ferien in Deutschland waren. Deutschland ist irgendwie immer mein Zuhause gewesen.
Reflection - Care on the move
Gesundheit war ein Thema, bei dem der kulturelle Unterschied besonders offensichtlich wurde. Die Auffassung von Wohlbefinden hat sehr spirituelle und traditionelle Züge in der chinesischen Medizin. Man hört von riesigen Schwarzmarktgeschäften, die Haifischflossen und Teile anderer gefährdeter Tierarten für medizinische Zwecke anbieten. Auch andere ‚alternative‘ Heilpraktiken wie Akupunktur, Massagen, Pflanzenheilkunde und bestimmte Bewegungsformen wie Qigong sind sehr beliebt. Es ist ein ganzheitliches Konzept von Gesundheit verbreitet; alles hängt miteinander zusammen, Balance ist maßgebend. Die meisten Leute folgen Prinzipien der traditionellen Chinesischen Medizin, obwohl diese nicht auf wissenschaftlichen Fakten beruht und oft ineffektiv oder gar schädlich sein kann. Was hier manchmal als Aberglaube oder Hippiequatsch abgestempelt wird, wird dort weitgehend praktiziert. Weiter noch wird eher der westlichen Medizin und industriellen Pharmazie misstraut.
Als Ausländer in China war es nicht immer einfach, die richtige Pflege zu bekommen. Kommunikation war die erste Hürde. Das Gesundheitssystem war ganz anders aufgebaut. Zudem musste man sich neu orientieren: man konnte nicht mehr einfach zu seinem altbekannten Hausarzt gehen, sondern musste erst mal neue Anlaufstellen finden. Es gab gewisse Kliniken und Zahnärzte, die unter den Expats verbreitet waren, wo die meisten hingingen, weil dort Englisch gesprochen wurde oder man gar international Ärzte hatte. Doch größere Operationen ließ man dann doch lieber in Deutschland machen oder holte sich zumindest eine zweite Meinung in Hongkong ein, dass durch seine britische Besetzung einen sehr starken westlichen Einfluss aufwies. Wieso diese Art Missvertrauen zu den chinesischen Ärzten bestand, weiß ich nicht. Lag es nur an der Angst, sich nicht richtig verständigen zu können oder gab es generell kulturelle Unterschiede im Umgang mit Krankheit? Wie unterschiedlich war der Stand der Technik?
Was ich weiß ist, dass meine Mutter bestimmte Medikamente zum Beispiel nur in Deutschland kaufen konnte – auf der anderen Seite waren in China Pillen ohne Rezept zu erstehen, die in Deutschland gar nicht verkauft werden durften. Die Regulationen und Kontrollen waren generell anders. Zudem hat man erfahren, dass Chinesen aus Höflichkeit nicht gerne ‚nein‘ sagen, auch wenn sie wissen, dass sie etwas nicht können. Wenn man sich verläuft, weil jeder, dem man nach dem Weg fragt, dich in irgendeine Richtung schickt, wenn er die richtige Antwort nicht weiß, ist das nervig. ALs Arzt könnte so etwas jedoch sehr gefährlich sein. Wie fließen solche Gewohnheiten in die Pflege ein? Wie kann man solche Verständnislücken identifizieren und überbrücken?